Das ist eben live und kein
Film – mit allen Risiken, die sich daraus ergeben. Das Chapiteau
ist nahezu voll besetzt, und so wird selbstverständlich
gespielt, den Widrigkeiten zum Trotz. Bei fast allen der 13
bisherigen Auflagen des Karlsruher Weihnachtscircus wurde auf
ein großes Charivari im amerikanischen Stil gesetzt,
einschließlich in der Manege kreisender Eisenbahn.
Jitka Keltie, Kimberly
Lester, Karen McDawn
In diesem Winter hat sich die
Familie Sperlich wieder für eine ruhigere Variante entschieden,
ähnlich wie schon 2016/17. So legt sich Clown Gino Silvano (Gino
Kaselowsky, Ehemann von Juniorchefin Monika Sperlich) zum
Schlafen, das Ballett in Engelskostümen umtanzt ihn, und dazu
wird „Stille Nacht“ angestimmt. Zusätzlich zum Orchester unter
der Leitung von Misha Khoklov ist Violinistin Jitka Keltie im
Einsatz. Kimberly Lester lässt in ihrer Zweitnummer als
Sandmalerin vergleichsweise wenige und eher unaufwendige Motive
erscheinen. Was sie auf einer beleuchteten Scheibe kreiert, wird
auf einer Leinwand über dem Artisteneingang gezeigt. Zu „Jingle
Bells“, wunderbar gesungen von Karen McDawn, wird es beim
erneuten Einsatz des Balletts doch noch etwas turbulenter.
Rudolf Janecek, Alexandro
Jostmann, Gino Silvano
Und das Tempo steigert sich in
einen Rausch, wenn Rudolf Janecek bei seinen klassischen
Tempojonglage mit bis zu sieben Keulen jongliert - bei drei
Keulen steht "High Speed" im Vordergrund, so dass das Auge kaum
zu folgen vermag. Bei mehr Requisiten sind es die
unterschiedlichen Wurfmuster. Ebenso rasant leiten Alexandro
Jostmann und Ehefrau Romy ihre drei schwarzen und zwei weißen
Pudel zu Sprüngen in allen Variationen an. Der erfahrene
Tierlehrer gehörte früher beispielsweise zu den Stützen des
Circo Moira Orfei und ist nun für den Ungarischen Nationalcircus
Richter tätig. Nachdem kein „externer“ Clown engagiert wurde,
beschränkt sich Gino Salvino auf wenige Auftritte. Bei seiner
Variante von André Brogers Duett-Entree gewinnt er der Szene
eine neue Seite: Statt einen Wischmopp als Frisur für den von
ihm selbst gespielten weiblichen Part einzusetzen, stibitzt er
einer Balletttänzerin die Perücke.
Duo Romance, Mister Jumping,
Kimberly Lester
Nachdem wir das Duo Romance,
Adelina Maria Boldojar und ihren Mann Alex Bogdi, vor fast zehn
Jahren erstmals bei Roncallis „Salto Vitale“ kennenlernen
durften, hat das äußerst sympathische Paar aus Rumänien in
großartiger Weise Circus-Karriere gemacht. Nun sorgen sie mit
ihrer Nummer am Pole auch im Karlsruher Weihnachtscircus für
Riesen-Applaus. Die Mischung aus starken Posen und unerwarteten
Abfallern, romantischer Stimmung und doch
augenzwinkernd-komischer Note ist ein garantierter
Publikumsfavorit in jedem Haus. Und heiter geht es weiter bei
Mister Jumping, der den Sprungturm erklimmt, um von dort in den
„Pool“ – genauer gesagt ein Trampolin – „einzutauchen“. Das
alles wird genretypisch mit vielen Gags serviert. Um sich die
rechte Motivation für den Haupttrick zu verschaffen, einen
Doppelsalto, nimmt er scheinbar einen kräftigen Schluck aus der
Schnapsflasche. Anschließend schafft das Ballett in seinen
Kostümen mit goldenen Umhängen orientalische Stimmung. Die
geheimnisvoll-schöne Kimberly Lester verbirgt ihr Gesicht
zunächst hinter einem Kopftuch, das sie bald ablegt. Bei ihren
starken Antipodenspielen lässt sie erst bis zu vier Teppiche,
dann bis zu fünf große Bälle über ihre Füße tanzen. Am Ende
gelingt es ihr, einen Ball über vier Plattformen an einer Stange
emporhüpfen zu lassen, die an ihren Füßen befestigt ist, und
versenkt ihn in einem Korb am oberen Ende.
Truppe Amaraa
Die „Riverdance“-Musik ist
irisch, die Artisten kommen aus der Mongolei: Vor der Pause
erleben wir die große Truppe Amaraa mit ihrem vielseitigen
Seilspringen. Mal springen die Akteure über ein Seil, während
sie ein anderes drehen. Mal stapeln sich drei in
Liegestütz-Position übereinander und überqueren so das drehende
Seil, mal geschieht dies im Drei-Personen-Hoch. Moderator
Giovanni Biasini, Sängerin Karen McDawn und Gino Silvano leiten
mit einem kleinen Dialog zu den angebotenen Snacks zur
Unterbrechung über.
René Sperlich, Giampalo
Maltese, Fatima Hórvath
Nicht zum ersten Mal zeigt
Direktionssohn René Sperlich seine Stuhlpyramide im Karlsruher
Weihnachtscircus, doch noch nie wurde die Nummer in eine so
aufwendige Verpackung gekleidet. Und so werden wir zum Beginn
des zweiten Programmteils in die Barockzeit entführt. Bei Hofe
ist ein festliches Dinner geplant. Rund um die gedeckte Tafel
gesellen sich Damen in weiten Kleidern und Herren mit weißen
Perücken sowie in farbigen Fräcken mit Rüschen. Zunächst soll
der Kronleuchter entzündet werden, doch plötzlich entschwebt
dieser in große Höhe. Also stapelt René Sperlich Stück für Stück
die bereitstehenden Stühle auf dem Tisch übereinander, erklimmt
den fragilen Turm und gelangt so zu dem Leuchtobjekt – dies
natürlich in Kombination mit verschiedenen Handständen. Nachdem
Bauchredner Giampalo Maltese bisher vorwiegend in seiner
italienischen Heimat gearbeitet hat, ist das Engagement in einem
der großen Weihnachtscircusse in Deutschland sicher Ehre und
Herausforderung zugleich. Ähnlich wie bekanntere Vertreter des
Fachs begibt er sich zunächst in einen mehrsprachigen Dialog mit
einem Handpuppen-Vogel und leiht dann seine Stimme einer Dame
und zwei Herren aus dem Publikum. Das Ballett in Katzen-Kostümen
und Melodien aus dem Musical-Klassiker „Cats“ leiten stimmig
über zur Dressurnummer von Fatima Horváth mit ihren
Stubentigern. Die Tiere balancieren über eine schmale Stange
oder hangeln sich daran entlang, umkreisen den Kopf der
Tierlehrerin auf deren Schultern oder glänzen bei weiten
Sprüngen von Podest zu Podest. Aus großer Höhe springt
schließlich eine Katze in Fatima Horváths Arme. Bei ihrem
Auftritt wird sie von ihrem Partner unterstützt.
Duo Romance, Finale
Nach Gino Salvinos kurzer
Popcorn-Reprise sorgt das Duo Romance für ganz große Gefühle an
den Strapaten. Ihr Tango der Lüfte kombiniert Solo- und
Duotricks, Gefährliches und Gefühlvolles, Träumerei und
Spannung. Ein Höhepunkt im Wortsinn, der an diesem Abend auch
die Schlussnummer ist. Zu gerne würden wir nun noch die Truppe
Amaraa am Schleuderbrett erleben, mit Sprüngen bis zum
Sechs-Personen-Hoch und auf eine gewaltige Konstruktion. Sie
setzt sich zusammen aus auf Schultern querliegenden Stangen, dem
darauf stehenden Träger einer Perchestange und an deren Ende
einem weiteren Artisten, der eine Stange mit Sessel obendrauf
hält. Doch verletzungsbedingt bleibt uns die Erfüllung dieses
Wunsches wie erwähnt verwehrt. |