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Wereldkerstcircus Carré 2023/24
https://wereldkerstcircus.nl ; 234 Showfotos

Amsterdam, 2./3. Januar 2024: Der dreifache Salto bildet bis heute den Höhepunkt einer guten Darbietung am Fliegenden Trapez. Der Vierfache war immer die große Ausnahme. 1991 zeigte ihn Miguel Vazquez in Monte Carlo und erhielt dafür den Goldenen Clown. Später waren die Flying Vazquez eine Sommersaison lang mit dem Circus Krone auf Tournee. Asiatische Truppen absolvierten diesen Spitzentrick, hatten aber meist speziell konstruierte Apparate und nutzten anderen Flugtechniken. Immer mal wieder gab es einzelne Artisten, die das Kunststück wagten.

Beim Wereldkerstcircus 2023/24 nun erleben wir die Flying Caballero. Und die haben sage und schreibe gleich drei Flieger, die den vierfachen Salto beherrschen. In einer der besuchten Vorstellungen versuchen sie ihn alle nacheinander. Gleich die ersten beiden Sprünge sind im ersten Anlauf erfolgreich. Nur der dritte Artist ladet zweimal im Netz. Damit ist die siebenköpfige Flugtrapez-Formation aus Mexiko die große Sensation des Programms.


Bello Nock und Yann Rossi

Aber auch sonst gibt es natürlich wieder etliche hochkarätige Darbietungen, die Stardust Circus International für einige Woche in den prächtigen Theaterbau an der Amstel geholt hat. Ebenfalls reichlich Platz bekommen die witzigen, poetischen oder einfach schön anzusehenden Szenen. Dafür gibt es das sechsköpfige Ballett, für dessen Choreografien der Cirque d'Hiver-erfahrene Alec Mann verantwortlich ist sowie die „Coverboys“ Bello Nock und Yann Rossi. Die Konterfeis der beiden Clowns zieren die Plakate sowie das Programmheft. Genauso sind sie zusammen mit Fred Butter die prägenden Gesichter der Show. Der Ringmaster führt wieder formvollendet durch die Vorstellungen. Das wunderbare Lichtdesign hat Wim Dresens kreiert und Andrii Kakapych dirigiert das großartige Orchester. Die Regie hat in diesem Winter Viktor Kee übernommen.


Szene aus dem Opening

Von ihm stammen insbesondere die wunderschönen Szenen zum Opening und zwischen einzelnen Nummern. Wenn die Besucher in den imposanten Innenraum des Theaters kommen, sehen sie in der Manege ein großes goldenes Geschenk und Luftballons, die mittels Bändern an einem Tuch befestigt sind. Das Ballett tanzt in aus dem Cirque d'Hiver bekannten Kostümen seine erste Choreographie. Yann Rossi im prächtigen Gewand kommt hinzu und spielt auf dem Saxofon. Das jüngste Mitglied der Flying Caballero erscheint mit weiteren Ballons in der Hand. Dank diesen und einer leuchtenden Kugel kann sich der Junge den Traum vom Fliegen erfüllen. Er schwebt in der Luft. Die weiteren Artisten strömen herein und wir erleben ein wirklich buntes, ausgelassenes Opening mit allen Mitwirkenden.


Fred Butter, Olga Boyko, Duo Solys

Die Begrüßungsworte gehören Fred Butter, die Eröffnungsdarbietung Olga Boyko. Am Luftring lenkt sie die Blicke der Zuschauer in den unteren Reihen Richtung Kuppel, wer ganz oben sitzt, kann sogar diese Luftnummer aus der Vogelperspektive beobachten. Alle Besucher erleben gleichermaßen eine wunderbare Kür mit hohem artistischen Können und einem guten Schuss Wagemut. Olga Boyko beweist dabei auch die beeindruckende Biegsamkeit ihres Körpers. Dann purzelt ein offensichtlich verspätetes Geschenk in die Manege. Heraus kommt Bello Nock, der in einem aufgeblasenen Anzug durch die Manege turnt und so ein erstes Mal seine Visitenkarte abgibt. Bei der Equilibristik des Duo Solys übernimmt die Frau den tragenden Part. Sprich, Tatiana balanciert ihren Partner Hector auf verschiedenen Körperteilen. Dabei machen beide eine blendende Figur. Der effektvoller Schlusstrick beinhaltet eine kleine Ausgabe des Eiffelturms. Diesen trägt Tatiana mit Händen und Oberschenkeln während ihr Körper in der Waagerechten ist – die Füße auf dem Boden und der Nacken auf einer Stütze. Auf der Spitze der Konstruktion hält sich Hector im Kopfstand im Gleichgewicht.


Sergii Stipakov, Maria Sarach

Nach einem Trompetensolo von Yann Rossi geht es schon wieder in die Luft. Allerdings nur für Naika Aymon, die Frau im Trio The Crows. Ihre beiden Partner Johnny Gasser und Yuri Kreer bleiben am Boden und sorgen mit dem auf ihren Schultern liegenden Russischen Barren dafür, dass die Dritte im Bunde virtuose Sprünge arbeiten und wieder sicher auf dem Requisit landen kann. So ist aus der einst weißen - White Crow war der ursprüngliche Name des Trios mit Carole Demers als Fliegerin - eine schwarze Krähe geworden, wie auch das Kostüm von Naika Aymon unterstreicht. Traumhaft sicher führt sie die anspruchsvollen Flugpassagen aus. Illusionen mit Spielkarten, Tüchern und Tauben erwartet man eher in einem kleineren Rahmen. Doch Sergii Stupakov schafft es spielend, mit Tricks mit diesen und anderen Requisiten den großen Raum zu füllen. Seine Fingerfertigkeit ist bewundernswert, zumal die Zuschauer ihn aus nahezu jeder Richtung betrachten können. Doch niemand ahnt auch nur im Entferntesten, wie die Illusionen funktionieren. Am Ende zaubert Sergii Stipakov zwei Papageien hervor, die danach eine Runde drehen dürfen. Die Damen des Balletts erhalten „Verstärkung“ durch Bello Nock, der nach der gemeinsamen Choreographie einen schwankenden Mast erklimmt. Die Hommage an den niederländischen Maler Piet Mondriaan von Maria Sarach kennen wir insbesondere dank ihrer beiden Tourneen mit Roncalli. In ihre Handstandakrobatik auf einem Stuhl baut sie immer wieder Comic-Sprechblasen ein, die sie mit den Händen hochhält. Etwa, wenn sie einen Spagat auf den beiden Armlehnen macht oder den Einarmer auf einer davon. So erleben wir nicht nur eine sehr starke, sondern auch wunderbar inszenierte Darbietung.


Alex Giona, Flying Caballero

Ein Kunstwerk ist ebenfalls die Pferdedressur von Alex Giona. Ganz in weiß gekleidet, dirigiert er fünf weiße und zwei schwarze Pferde. Es ist ein ungemein inniges, vertrautes Miteinander von Mensch und Tier. Fast so, als wäre ein wenig Magie im Spiel, wenn die Pferde steigen, Schrittfolgen absolvieren, oder flott nebeneinander herlaufen, während Alex Giona ohne Sattel auf dem mittleren Schimmel sitzt und von dort die Gruppe lenkt. Als zusätzliche musikalische Begleitung spielt dazu Svetlana Sazonenko auf dem Manegenkasten stehend Violine. Bevor es in die Pause geht, erfreuen uns wieder das Ballett und die beiden Clowns. Bello Nock hat noch ein paar Geschenke gefunden, die ihm die Tänzerinnen gerne abnehmen. Yann Rossi spielt Saxofon dazu. Zu Beginn des zweiten Teils ist das im Theatersaal sehr groß wirkende Fangnetz für das Fliegende Trapez aufgebaut. Der erste Sprung gehört dem Junior der Flying Caballero im Kindesalter. Dann geht es mit der Fliegerin und ihren vier Kollegen weiter. Unumstrittene Höhepunkte sind natürlich die vierfachen Salti. Aber auch die weiteren Sprungkombinationen sind äußerst sehenswert, so etwa die Passage zum Finale. Ringmaster Fred Butter weist auf die gezeigten Schwierigkeitsgrade hin und steigert so die Spannung. Erst das Ballett als Weihnachtsfrauen, dann Yann Rossi auf dem Xylophon verkürzen den Abbau des Netzes und leiten über zu Bogenschütze Bello Nock. Den Bogen bildet ein langgezogener grüner Luftballon, gezielt wird auf einen roten Ballon. Diesen darf zunächst eine Dame aus dem Publikum über ihren Kopf halten. Als die Ballons auf „wundersame Weise“ verschwinden, werden die Rollen getauscht. Doch auch Bello hat seine liebe Mühe, die Luftballons nicht vorzeitig zum Platzen zu bringen. Ein überaus amüsantes Spiel mit Happy End.


Viktoriia Dziuba, Duo Stauberti, Viktor Kee

Dann wird es ganz ruhig, alle Augen konzentrieren sich auf eine Frau, die auf einem hohem Podest mit einer Mischung aus Handstandakrobatik und Kontorsion brilliert. Viktoriia Dziuba präsentiert ihre Equilbristik-Kür sehr konzentriert, ja introvertiert und erzeugt damit eine faszinierende Wirkung. Die Trickfolge ist auf höchstem Niveau und einzigartig. Verständlich, dass sie dafür 2023 in Monte Carlo einen Silbernen Clown gewann. Dimitri und seine Nichte Nancy bilden das Duo Stauberti. Der Name steht nicht erst seit diesen beiden Generationen für Percheakrobatik par excellence. Zum Einsatz kommt hier die Stirnperche in verschiedenen Ausführungen, Unter deren Einsatz balanciert Dimitri seine Nichte auf dem Boden stehend, ein zweiteiliges Leitergestell erklimmend und auf einem Einrad fahrend. Nancy zeigt in luftiger Höhe Hand- und Kopfstände. Letztere kombiniert sie sogar mit Antipodenspielen. Mit einem kleinen Lichtpunkt entzündet Bello Nock aus der Ferne die leuchtende Kugel, mit der Viktor Kee seine Jonglagen beginnt. Den Hauptteil seiner einzigartigen Performance bestreitet er mit weißen Bällen. Wie viele es insgesamt sind, ist schwer herauszubekommen. Er schmeißt welche von sich, dafür kommen neue von oben hinzu. Seine Technik ist einzigartig, immer wieder wirft und fängt er seine Requisiten auf neue Weise oder lässt sie über den Boden rollen. Oder reiht sie hintereinander auf seinem Rücken auf. Oder jongliert die Bälle auf dem Rücken liegend. Dazu kommen eine einzigartige Kostümierung und Schminke sowie eine faszinierende Mimik.


Annaliese und Bello Nock

Auf einer Concertina spielend kommt Yann Rossi herein. Mit einer zweiten will ihm Bello Nock eine aus seiner Sicht unlösbare Aufgabe stellen. Doch der Weißclown schafft es problemlos, auf beiden Instrumenten gleichzeitig zu musizieren. Auf Bello Nock warten sodann ganz andere Herausforderungen. Denn in der Zwischenzeit wurde ein Todesrad aufgebaut. Die zugehörige Artistin heißt Annaliese mit Vor- und Nock mit Nachnamen. Das ist natürlich kein Zufall, denn sie ist die Tochter von Bello. Wer leider nicht auftaucht, ist ihr Artistenpartner. Und so springt kurzerhand Bello ein. Es folgen rasante Touren auf dem Rad, die sowohl aufregend als auch irre komisch sind. Natürlich sind beide Akteure hervorragende Artisten. Die gespielte Aufregung von Bello sorgt bei manchen Zuschauer möglicherweise zu Beginn für etwas Besorgnis, dann aber schnell für befreiendes Lachen. Tricks, wie das Seilspringen von Annaliese, gibt es natürlich auch. Zurück in der Manege, geht es gleich mit dem Finale weiter. Die beiden Clowns und der Junge von den Flying Caballeros beschwören noch einmal die leuchtende Kugel. Das Ballett ist ebenfalls dabei. Alle Mitwirkenden kommen hinzu und werden ausgiebig vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert.

Diese 37. Auflage des Wereldkerstcircus Carré feiert den klassischen Circus in einem traumhaften Ambiente. Wenngleich die ganz großen Truppen fehlen, ist es dem Team von Stardust Circus International wieder gelungen, ein starkes Programm mit vielen Stars der Szene zusammenzustellen. Dank der Regie wird daraus eine zauberhafte Show. Für Henk van der Meijden ist es die letzte, die er als Produzent verantwortet. Seine Nachfolger, allen voran Tochter Elisa, übernehmen ein bestens bestelltes Haus. Die Spielzeit 2023/24 sorgte mit über 68.000 verkauften Tickets für einen neuen Zuschauerrekord.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch