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Aachener Weihnachtscircus 2023
www.weihnachtscircus-aachen.eu ; 180 Showfotos

Aachen, 30. Dezember 2023: Die Rolle des Engels ist beim Aachener Weihnachtscircus immer doppelt besetzt. In diesem Jahr durch Floor Bosman und ein Mitglied der Mangeurs de Lapin. Die Musikerin verkörpert den himmlischen Boten mit prächtigen Flügel und singend von der Manege aus. Der Komiker ist in Sachen Flughilfe deutlich schwächer ausgestattet, geht aber dank einer Longe im dichten Schneetreiben wirklich in die Luft. Diese liebgewonnenen Traditionen gehören einfach dazu, wenn sich das Ensemble am Ende der Show ausführlich vom Publikum verabschiedet.

Und das feiert die Akteure mit frenetischem Applaus. Das Chapiteau ist an diesem Nachmittag bis auf den letzten Platz gefüllt, alle Besucher bleiben bis zum wirklich letzten Vorhang an ihren Sitzen. Früher geht hier niemand, jeder will die Show bis zur letzten Sekunde genießen.


Zeltanlagen des Aachener Weihnachtscircus

Die Regie liegt in den bewährten Händen von Thomas Bruchhäuser und Sandor Donnert. Für den reibungslosen Ablauf sorgt insbesondere Ingo Stiebner. Bei den Artisten gibt es einen schönen Mix aus Bekanntem und Neuem. Den Rahmen bilden wie immer Tänzerinnen und eine Sängerin. Das Ballett besteht aus vier Mitgliedern der Donnert Dancers, die in edlen Kostümen schöne Choreographien zeigen. Für die gesangliche Begleitung ist in diesem Jahr erstmalig Floor Bosman verpflichtet worden. Die Niederländerin interpretiert mit wunderbarer Stimme verschiedene Songs und bildet so zumeist Übergänge zwischen den Darbietungen. Das Licht wurde aufwendig inszeniert und trägt enorm zum Gesamteindruck bei. Die Musik kommt präzise eingespielt aus der Konserve, ein Schlagzeuger auf dem Orchesterpodium setzt die passenden Akzente. Vor- sowie Spielzelt sind aufwendig dekoriert und passen perfekt zur Show. Die Restauration erfüllt vielerlei kulinarische Wünsche.


Floor Bosman, African Dream, Maxim Voronin

Die Begrüßung übernimmt Carsten Franke, bevor Floor Bosman, die Donnert Dancers und Les Mangeurs de Lapin für das stimmungsvolle Eröffnungsbild sorgen. Nach dem eher besinnlichen Auftakt wird es rasant. Voller Lebensfreude präsentieren die sechs Herren von African Dream ihre Akrobatik an zwei Masten. Das Sextett scheint nur eine Laune zu kenne, und zwar extrem gute. Zudem sind sie akrobatisch auf hohem Niveau unterwegs. Ganz egal, ob gerade zwei von ihnen an den Stangen arbeiten oder gleich alle zusammen, ihre Tricks sind wirklich stark. Das Trio Les Mangeurs de Lapin konnten wir im vergangenen Winter im Pariser Cirque d'Hiver erleben. Nun ist das Trio in Aachen und erfreut gleich am Anfang mit einer Premiere, quasi außer der Reihe. Denn an diesem Nachmittag wird eine neue Nummer erstmalig öffentlich gespielt. Darin produzieren sich die drei skurrilen Herren als Turnerinnen im Sportdress, wie wir es von der Rhythmischen Sportgymnastik kennen. Mit großen goldenen Umhängen geht es los, es folgen Übungen mit Bändern und Reifen. Natürlich geht das ein oder andere schief und die Akteure bekommen sich in die Haare. Daneben gibt es die ein oder andere artistisch durchaus bemerkenswerte Leistung. Geheimnisvoll wird es dank Maxim Voronin. Seine (Karten-)Zaubereien vollführt er im mystischen Licht. Überraschenderweise integriert er in seine Illusionen Handstandakrobatik auf einem Stuhl. Bei der Balance mit dem Oberkörper auf der Rückenlehne fragt man sich dann in der Tat, ob hier außergewöhnliche Körperbeherrschung oder doch ein Trick im Spiel ist.


Duo Have a Ball, Cedenos, Regina Larus

Sogleich finden wir uns an der Bushaltestelle Bendplatz wieder. Die Donnert Dancers empfangen uns dort in bunten Kostümen. Danach gehört die zugehörige Bank dem Duo Have a Ball. Um sich das Warten auf die nächste Abfahrt zu vertreiben, nutzen Clémentine und Mike Leclair das Sitzmöbel für Jonglagen mit weißen Bällen. Mal werfen sie sich die Bälle durch die Luft zu, mal gehen die Touren über den Boden und dann eben wieder über die Sitzfläche der Bank. Die variantenreichen Trickfolgen sind einzigartig, sieht man doch Bouncing Jonglagen nicht alle Tage von einem Duo dargeboten. Ein wirklich faszinierendes Spiel, zumal auch die Interaktionen der beiden wunderbar gestaltet sind. Um eine Person verkleinert, treten die Cedenos nun im Trio auf. Nach einem Intermezzo von Floor Bosman und dem Ballett präsentieren die Südamerikaner ihre Ikarischen Spiele. Der Sprung überkreuz entfällt somit. Trotzdem bleibt natürlich ein breites Repertoire, das die Cedenos mit viel Spaß servieren. Danach richten sich alle Augen auf Regina Larus. Die junge Ungarin nimmt uns mit auf eine Flugreise unter der Circuskuppel. An den Strapaten zelebriert sie im wahrsten Sinne des Wortes starke Figuren. Neben einer beneidenswerten Körperbeherrschung beweist sie auch eine gute Prise Risikobereitschaft. Überzeugend erfüllt sie die Erwartungen an eine Pausennummer, deren Platz sie einnimmt. Doch bevor es für die Zuschauer in die Restauration geht, üben sich die Mangeurs de Lapin in Bolaspielen. Natürlich kommt es auch hier zur maximalen Eskalation. Massenweise fliegen kleine weiße Stoffbälle Richtung Publikum.


Les Mangeurs de Lapin, Game of Passion, Duo Laos

Teil zwei eröffnen die Donnert Dancers mit einer rockigen Einlage, bevor Les Mangeurs de Lapin ihre herrliche Elefantendressur spielen. Die beiden berittenen – und recht plüschigen - Dickhäuter balancieren unter Anleitung ihres Dompteurs sogar auf der Rola Rola. Die Harmonie endet schnell, dann spritzt Wasser und die beiden Tiere bekriegen sich mit ihren Rüsseln. Nicht eben der feinste Humor, aber perfekt gespielt und zum Brüllen komisch. Die drei Clowns beherrschen ihr Handwerk genial. Ursprünglich vom Sport kommen zwei Damen und drei Herren aus Kuba sowie Frankreich. Zaida Liazeed hat mit dem Quintett eine Darbietung erarbeitet, die die turnerischen Fähigkeiten bestens Circus-tauglich umsetzt. Am Quadratreck erleben wir eine Liebesgeschichte unter dem Titel Game of Passion. Die Herren kämpfen um die Gunst der Damen. Dabei geht es für alle Akteure an die Reckstangen, wo sie kraftvolle Umschwünge und gewagte Flüge zeigen. Zwei Zuschauer dürfen aus nächster Nähe zusehen, wie sich Maxim Voronin aus Handschellen befreit. Doch die beiden bleiben genauso ratlos wie der Rest des Publikums. „Einen Machtkampf auf der Suche nach Frieden“ symbolisiert die Darbietung des Duo Laos. So jedenfalls formuliert es die Homepage des Aachener Weihnachtscircus. Pablo im schwarzen Outfit und Mercedes im kurzen roten Kleid liefern sich eine ungemein intensive Auseinandersetzung. Die beiden spielen diese hinreißend. Genauso faszinierend ist die Hand-auf-Hand-Akrobatik, die den Kern ihres Auftritts bildet. Dabei setzt das Duo nicht nur auf die Standards des Genres, sondern ergänzt diese um innovative Tricks. Als Begleitung gibt es den wunderbaren Gesang von Floor Bosman.


Ezra Veldman, Heejin Diamond, Dominic Baird-Smith (Les Mangeurs de Lapin)

Das Tempo noch einmal ganz nach oben schraubt Ezra Veldman. Der 23-jährige Niederländer schickt seine Diabolos auf abgefahrene Touren durch die Luft. Schon eines davon lässt er unglaublich geschickt auf der Schnur zwischen zwei Handstäben tanzen. Am Ende jongliert der Autodidakt vier Diabolos gleichzeitig. Das alles wird mit jetzt schon viel Personality präsentiert. Noch einmal gehört die Bühne Maxim Voronin. Nun schwebt er über waberndem Nebel. Wie er das macht, bleibt sein Geheimnis. Heejin Diamond setzt ihren Künstlernamen auch gegenständlich um. Denn das Requisit für ihre Handstandakrobatik ist einem Diamanten nachempfunden. Darauf arbeitet sie ästhetische Kunststücke auf einer sowie auf zwei Händen. Dabei beweist die gebürtige Mongolin die Biegsamkeit ihres Körpers. Das immer mit einem gewinnenden Lächeln. Den Bogenschuss mit den Füßen absolviert sie sogar im Einarmer. Inzwischen lebt Heejin Diamond in Paris und ist mit einem der Mangeurs de Lapin verheiratet. Bei deren letztem Auftritt steht Dominic Baird-Smith im Mittelpunkt. Denn dieser ist nicht nur ein begnadeter Spaßmacher, sondern ebenfalls ein grandioser Jongleur mit Tennisschlägern. Im Schottenrock beweist er dieses außergewöhnliche Talent. Selbstverständlich „unterstützen“ ihn seine Kollegen dabei. Das Trio ist skurril, liebenswürdig, vor allen Dingen aber innovativ. Schon alleine deswegen freuen wir uns auf ein Wiedersehen, wo immer das sein wird. Mit afrikanischem Temperament geht es Richtung Finale. Die Artisten von African Dream erleben wir jetzt als versierte Reifenspringer. Ihre Körper fliegen durch verschieden große Reifen, die in unterschiedlichen Konstellationen angeordnet sind. Die anspruchsvollen Tricks sehen so leicht aus, wohl auch, weil sie mit einer Menge positiver Energie ausgeführt werden. Das Ende der Show wird groß gefeiert, mit dem gesamten Ensemble, vielen Zugaben und eben den beiden Engeln.

Am Ausgang gibt es für jeden Besucher eine Aachener Printe. Diese wird ihrem Ruf in jeder Hinsicht gerecht. So kann ich in der folgenden Woche das Programm 2023 des Aachener Weihnachtscircus Revue passieren lassen, während mein Zahnarzt die herausgebrochene Füllung erneuert. Es sind Erinnerungen an eine wunderbar zusammengestellte und stark besetzte Show, die zudem mit viel Liebe zum Detail inszeniert wurde. Nachvollziehbar, dass das Publikum diese so ins Herz geschlossen hat.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch