Beim
Neustart nach der Pandemie wurde nicht nur die Anzahl der
Plätze im Saal reduziert, es wurden ebenfalls weniger
Vorstellungen angeboten. Die Bestuhlung ist schon seit einiger
Zeit wieder komplett, nun wird auch wie zuletzt 2019 von
Dienstag bis Sonntag gespielt. Mittwochs sowie von Freitag bis
Sonntag gibt es zwei Vorstellungen pro Tag. Ein Blick in den
Saalbuchungsplan zeigt, dass die Nachfrage zum Angebot passt.
Die meisten Termine sind bereits bestens verkauft.
Das
Ensemble beim Finale
2023 gab
es zwei besondere Produktionen. Im Frühling wurde eine
20er-Jahre-Revue gespielt, im Herbst die Absolventenshow
„Spin!“. Letztere aus der Produktion von Paulsen & Consorten.
Der Geschäftsführer dieser Agentur, Maik M. Paulsen, ist jetzt
für die Zusammenstellung der Varieté-Programme im Neuen
Theater verantwortlich, die aktuelle Show somit sein
Erstlingswerk. Zumindest, wenn es um eine komplett neu
zusammengestellte Vorstellung für die Spielstätte im
Frankfurter Westen geht. Für die Regie wurde wiederum
Karl-Heinz Helmschrot hinzugezogen.
Nicole Siegel, Herr Stanke, Cecilia Hedlund
Einen
wichtigen Beitrag zum Gesamterlebnis leistet die Band Neelah.
Ein Jahr lang musste das Quartett pausieren, jetzt sorgen
Sängerin Nicole Siegel, Bassist sowie Gitarrist Robin
Brosowski, Keyboarder Aaron Pellet und Schlagzeuger Jonathan
Schuchardt wieder für wunderbare Livemusik. Bereits beim
Einlass stimmen sie mit Songs - als Neo-Soul beschreibt die
Formation selbst ihre Stilrichtung - auf den Abend ein. Und
noch jemand ist im Saal unterwegs, während das Publikum seine
Plätze einnimmt. Herr Stanke, im Aufzug eines Hausmeisters,
scheint etwas zu suchen. Nach dem letzten Intro von Neelah mit
Nicole Siegel in der Mitte der Bühne wird Herr Stanke dann
richtig aktiv – und fündig. In einer der ersten
Zuschauerreihen liegt der vermisste Teppich. Das Stück hat
beachtliche Maße und ist zusammengerollt. Dann wird klar, dass
das Konstrukt auf der Bühne als Teppichstange dient. Den
Teppich darüber zu legen, dieser Aufgabe widmet sich Herr
Stanke mit Hingabe, Einfallsreichtum und mäßigem Erfolg. Der
Spaß für die Zuschauer ist dafür umso größer. Denn der
vermeintliche Hauswart macht dies mit einem ausgeprägten Sinn
für Komik. Seine Mimik ist herrlich witzig, seine Kapriolen
ebenso. Artistische Einlagen erleben wir obendrein, denn
letztendlich ist die Teppichstange ein Reck. So gibt es zum
Auftakt Comedy-Akrobatik im besten Sinne. Brian O'Gott ist,
der Name lässt es erahnen, ebenfalls mit reichlich Humor
gesegnet. Er ist unser Begleiter durch den Abend, der uns
zunächst in seinen aktuellen Wohnort Kassel mitnimmt. Eine
Stadt mit drei Arten von Einwohnern, die er uns vorstellt.
Cecilia Hedlund war mir bislang als mehrjähriges Mitglied der
Auswahlkommission des European Youth Circus ein Name. Nun
erlebe ich die Schwedin endlich auch im Scheinwerferlicht. Für
ihre Handstandakrobatik stapelt sie immer mehr Stühle
übereinander, um darauf ihre Tricks in beachtlicher Höhe zu
zeigen. Auch wenn wir schon größere derartige Türme gesehen
haben, wirken die aufgebauten Gebilde recht wackelig. Cecilia
Hedlund hält sich darauf auf einer und zwei Händen im
Gleichgewicht. Das ganze äußerst charmant präsentiert und
gesanglich auf der Bühne durch Nicole Siegel begleitet.
Brian
O'Gott, Niklas Bothe, Trio Three G
Zurück zu
Brian O'Gott, zurück nach Kassel. Dort wirkten die für Märchen
bekannten Brüder Grimm. Ein solches erzählt uns der Comedian
und baut darin zig Ortsnamen ein, die er jeweils auf einem
Schild hochhält. Bad-Newspaper nennt Niklas Bothe seine
Performance am Vertikalseil. Der Absolvent der Staatlichen
Artistenschule Berlin kommt als Zeitungsjunge daher, der aus
der aktuellen Ausgabe des Blatts nur schlechte Nachrichten
erhält. Entsprechend hängt er am Seil. Die Lethargie ist
grandios gespielt, denn natürlich ist der Brandenburger ein
hochmotivierter Künstler. Am Vertikalseil erleben wir starke
Haltefiguren und Abfaller. Am Boden beweist er seine extreme
Beweglichkeit mit Figuren aus dem Klischnigg. Niklas Bothe
überzeugt mit seinen darstellerischen und akrobatischen
Fähigkeiten. Die Atmosphäre des Auftritts wird durch Musik und
Beleuchtung wunderbar unterstützt. An dieser Stelle ein großes
Lob an Lichtdesign und Technik. Ihr Beitrag zum Gesamtkonzept
ist alles andere als unerheblich. Dank eines neuen Texts wird
der Schlager „Jenseits von Eden“ zu einer Aufarbeitung der
Erlebnisse bei Ikea mit Brian O'Gott als Autor und Interpret.
Er begleitet sich selbst auf der Gitarre, weitere musikalische
Unterstützung gibt es von Robin Brosowski und Jonathan
Schuchardt an Bass sowie Percussion. Sonntags hatten die
Artistinnen vom Trio Three G ihre Derniere im Pariser Cirque
d'Hiver, Mitte der folgenden Woche stehen sie schon in
Frankfurt-Höchst vor dem Premierenpublikum. Voller Eleganz
verwöhnen sie dieses mit anspruchsvollen Tricks der
Partner-Equilibristik und Handvoltigen. Das Zusammenspiel der
hübschen Ukrainerinnen ist traumhaft und fordert ein hohes Maß
an gegenseitigem Vertrauen. Die von ihnen erschaffenen,
fragilen menschlichen Gebilde erscheinen schier unmöglich. Für
das Trio Three G sind sie ohne erkennbare Mühen machbar. Rund
geht es vor der Pause. Brian O'Gott und Herr Stanke nehmen in
einem Social Media-Studio Platz, welches sich vertikal um die
eigenen Achse dreht. Die Bilder werden auf einer rückwärtigen
Leinwand gezeigt. Da sich die Kamera mitbewegt, entstehen
herrliche Effekte, die witzig kommentiert werden. So wird etwa
ein Becher Bier sicher durch den Umlauf gebracht.
Maxim
Kriger, Brian O'Gott und Robin Brosowski
Zu Teil
zwei begrüßt uns die Band Neelah mit Nicole Siegel und Robin
Brosowski auf der Bühne. Wenn sich der Vorhang öffnet, geht es
mit Maxim Kriger weiter. Er startet mit einem Einarmer, sein
eigentliches Metier sind aber Balancen auf der Rola Rola.
Diese beginnt er mit Seilspringen und dem Stapeln mehrerer
Bretter auf einer Walze. Danach baut er mit seinen Requisiten
verschiedene, sehr einsturzgefährdet erscheinende Türme, um
sich darauf souverän im Gleichgewicht zu halten. Beim nächsten
Song von Brian O'Gott gibt es Begleitung durch das eigene
Gitarrenspiel sowie das von Robin Brosowski. Noch einmal darf
Herr Stanke seine Späße treiben. Diesmal „zaubert“ er mit
Weinflaschen und Röhren. Die bekannten Illusionen werden hier
natürlich mit ganz eigener Note vorgeführt. Insbesondere sein
urkomisches Mimenspiel sorgt für viele Lacher. Zum Schluss
gönnt sich Herr Stanke ein Glas vom roten Rebensaft. Schon in
der nächsten Sequenz ist er wieder gefragt. Brian O'Gott
schickt ihn mit Smartphonekamera auf eine Backstage-Reportage.
Dank der auf die Leinwand übertragenen Bilder erfahren wir
einiges über das vermeintliche Luxusleben der Künstler des
Abends. Humorvoll kommentiert vom Conferencier.
Niklas Bothe, TJ-Wheels
Für seinen
zweiten Auftritt teilt sich Niklas Bothe die Bühne mit
Sängerin und Gitarrist von Neelah. Die Szenerie ist in
violettes Licht getaucht, es herrscht eine mystische Stimmung.
Der Artist trägt ein dunkles, extravagantes Kostüm. Seinen
Kopfschmuck übergibt er sogleich Nicole Siegel. Dann verführt
er das Publikum mit einer einzigartigen Mischung aus Tanz und
Reifenakrobatik unter dem Titel „Dark“. Dabei lässt er etwa
einen Reifen im Standspagat um ein Bein rotieren oder aber,
während er einen Handstand zeigt. Keine Interpretation
erfordert die Nummer von TJ-Wheels, die er nach einem weiteren
Lied von Brian O'Gott präsentiert. Auf Rollschuhen saust der
Absolvent der Berliner Artistenschule mit der markanten Glatze
durch eine Halfpipe. Dabei jongliert er mit Keulen, Bällen und
Reifen. Oder aber er balanciert während der Fahrt eine Kugel,
die auf einem langen Stab ruht, auf der Stirn. Offensiv sucht
und findet er den Kontakt zum Publikum. Wie vereinbart rastet
dieses aus, als TJ-Wheels im zweiten Anlauf sechs Ringe
jongliert und dann um den Hals legt. Kaum nimmt er den
frenetischen Applaus entgegen, stehen auch schon seine
Künstlerkollegen neben ihm. Das Finale schließt sich nahtlos
an und wird ausführlich zelebriert. Es gibt originelle Zugaben
bei Partystimmung, zum Schluss stehen alle Artisten in einer
Reihe nebeneinander. Das gewohnte Abschiedsbild. Die Gäste
bedanken sich mit Standing Ovations, die Begeisterung im Saal
ist hör- und sichtbar groß. |