Insbesondere die zweite Gruppe ist relevant für die
Direktionsfamilie, die das Unternehmen inzwischen in der siebten
Generation leitet. In den
letzten Jahren wurde viel in Technik investiert. Die Tiere sind
mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Immer wieder sind
bekannte Vertreter der Comedyszene Teile oder gar Headliner der
Show. Das ist bei der Produktion 2024 nicht anders.
Circus
Knie in Rapperswil
Die
Lichtanlage ist gigantisch und für einen Circus, der regelmäßig
seinen Standort wechselt, eine Rarität. Sie wird grandios
eingesetzt, das Ergebnis ist ein einzigartiges Lightdesign.
Kleine, intime Szenen werden genauso überzeugend ausgeleuchtet
wie Bilder mit dem gesamten Ensemble. Für den musikalischen Part
steht wie gehabt das Orchester unter der Leitung von Ruslan Fil
zur Verfügung. Auch der Sound im Chapiteau mit außenliegenden
Masten ist hervorragend. Es wird vermehrt auf eingängige
Melodien gesetzt. So erklingt etwa „A whole new world“ aus dem
Disney-Film Aladdin gleich an mehreren Stellen. Wieder mit dabei
ist die große Rundbühne, die für ihre Einsätze in die Manege
gefahren wird. Sie erlaubt neben Licht- ebenfalls Wasser- und
Feuereffekte. Dass die zugehörige Logistik reibungslos
funktioniert, ist insbesondere der Verdienst von Maycol, Wioris
und Guido Errani.
Finale
Insgesamt
finden aber wieder mehr Darbietungen auf Sägemehl sowie dem
Manegenteppich statt. Ob die Show sich in diesem Jahr wieder
Richtung Circus bewegt, darüber wird bei der Premiere ausgiebig
diskutiert. Dies ohne eindeutigen Ausgang. Den überzeugendsten
Beitrag zum klassischen Circus erbringt einmal mehr die achte
Generation mit wunderschönen Pferdedressuren. Die Sparte Humor
ist modern besetzt. Da sind die Schweizer Comedians Peter
Pfändler und Carlos Amstutz sowie der Circus-erfahrene „Coperlin“
Dustin Nicolodi. Besonders gelungen ist die Sparte Artistik
ausgestaltet. Es gibt viele Genres, die bei Knie länger nicht
mehr zu erleben waren oder gar im Circus in Summe selten zu
sehen sind. Das sorgt für spannende Erlebnisse.
Victor
Moiseev, Carlos Amstutz und Peter Pfändler, Secret of my soul
Los geht
es mit einem Opening Bingo-Style. Eingeleitet wird es von einer
Saxofonistin im Engelskostüm und Maycol Knie junior mit einer
großen weißen Feder. Sie stehen auf einem runden Podium vor dem
Artisteneingang, während die Mitglieder des Circus-Theaters aus
Kiew nach vorne auf die große Bühne strömen. In rot-weißen
Kostümen zeigen sie ihre dynamischen Moves und Elemente der
Handstandakrobatik. Erstmalig dabei sind Artistinnen mit langen
Kleidern, die auf schwankenden Masten hin und her wiegen. Zu
guter Letzt mischen sich die georgischen Tänzer und die Truppe
Extreme Lights unter die
Bingo-Akteure. Dann erleben wir auch schon den Mann, der in
diesem Jahr das Plakatmotiv bildet. Mit markant geschminktem
Gesicht lässt Victor Moiseev beleuchtete Bälle durch den Raum
fliegen. Seine Horizontaljonglagen präsentiert er durchaus
geheimnisvoll. Es entstehen raumgreifende, ungewöhnliche Bilder.
Eine innovative Darbietung, die in den letzten Jahren vor allen
Dingen im Cirque du Soleil zu sehen war. Anschließend geben die
Schweizer Komiker – als „Pfändler mit! Amstutz“ werden sie
angekündigt – erstmalig ihre Visitenkarte ab. Der Basler
Schauspieler Carlos Amstutz spielt den ruhigeren Part, der
Zürcher Comedian Peter Pfändler übernimmt die lebhafte Partie.
Im ersten Auftritt wechselt Pfändler mehrfach die Rolle. Sprich,
er schlüpft in die Kostüme bekannter Schweizer Zeitgenossen und
imitiert diese. Inhaltlich dreht es sich unter anderem um die
Eigenheiten verschiedener Regionen des Landes. Ein schönes
Zusammenspiel mit der Sängerin leitet die Akrobatik am Luftring
des Duo Secret of my soul ein. Dann geht es für Marina und
Oleksii Grigorov Richtung Kuppel. Sie zaubern traumhafte Bilder,
die so leicht aussehen und doch so vieles erfordern. Etwa Kraft,
einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn und nicht zuletzt
gegenseitiges Vertrauen. Es ist ein leidenschaftliches Spiel,
das durch die Musik wunderbar veredelt wird.
Georgian Dancers, Catwall Acrobats, Marc Jonin
Große rote
Tücher sind Teil der nächsten Choreografie von Bingo in den
Aufgängen des Gradins. In weiten roten Mänteln und schwarzen
Hosen erleben wir sodann die Georgian Dancers. Die feurigen
Tänze seiner Heimat zelebriert das männliche Quintett mit viel
Inbrunst. Immer wieder integrieren die Protagonisten
energiegeladene Sprünge. Als Clou lodern im letzten Teil ihres
Auftritts kleine Flammen am äußeren Rand der Rundbühne. Vor rund
zwanzig Jahren konnten wir eine derartige Darbietung bei Nock
(2004) und Arlette Gruss (2005) erleben. Daran wird sich aber so
gut wie keiner der Premierengäste in Rapperswil erinnern. Somit
ergibt sich hier ein echter Überraschungseffekt. Während Peter
Pfändler und Carlos Amstutz ihren nächsten Einsatz auf dem
Gradin beginnen, wird die große fahrbare Bühne aus der Manege
gebracht. Zusätzlich zu ihrem sonstigen Outfit tragen die
Comedians Hosen vom Nationalsport Schwingen. Als Gags gibt es
unter anderem zahlreiche Wortspiele mit Indern. Mäßig originell, aber witzig
gespielt. Statt der Bühne steht sodann ein riesiges Trampolin
auf dem Sägemehl. Ein Quartett der Catwall Acrobats darf sich
darauf austoben und gewagte Sprünge zeigen. Nach ein paar
Minuten werden die beiden äußeren Seiten des bis dahin in einer
Ebene liegenden Requisits nach oben geklappt. Der mittlere Teil
bleibt in der Horizontalen. So ergibt sich die Optik einer
Halfpipe. Auf der werden dann noch abgefahrene Sätze gewagt. Der
gewaltige Aufbau wirkt imposant, nimmt er doch den gesamten
Durchmesser der Manege ein. Für einige der Zuschauer kommt es,
ähnlich wie bei der Bahn für die Radartisten im Vorjahr, zu
Sichteinschränkungen. Eine Saxofonistin im Zuschauerraum zieht
die Blicke auf sich, während das Trampolin heraus- und eine
kleinere Rundbühne hereingebracht wird. Sie dient als Podium für
die Freestyle-Football-Künste von Marc Jonin und Sebastian Ortiz
Hernandez, kurz Boyka. Der Schweizer ist zweifacher nationaler
Meister, der Kolumbianer zehnfacher Champ in seinem Heimatland.
Für Knie machen die beiden Sportartisten gemeinsame Sache und
begeistern – trotz ein wenig Premierennervosität – mit viel
Ballgefühl und coolen Moves. Damit gewinnen sie im Nu die
Sympathien des gesamten Publikums, ganz gleich welchen Alters.
Eine mitreißende Performance, die man in einem Circus nicht
erwartet und die so für den nächsten innovativen Moment sorgt.
Coperlin Dustin Nicolodi, Chanel Marie Knie, Ivan Frédéric Knie
Nach sechs
Jahren zum Circus Knie zurückgekehrt ist Dustin Nicolodi mit
seiner Figur Coperlin. Der großartige Magier verblüfft vor allen
Dingen mit herrlichem Humor. Er spielt etwa auf einer
Kerzenorgel, lässt ein Stofftier lebendig werden oder jongliert
mit Schwertern. Was er macht, wie er es macht und wie er es
kommentiert, das alles ist wirklich urkomisch und erzeugt das
große Lachen. Auch wenn man die Gags eigentlich schon kennt,
amüsieren sie einen immer wieder. Vor der Pause stehen
Mitglieder der Direktionsfamilie auf dem Sägemehl, um die edlen
Pferde des Hauses zu präsentieren. Den Beginn macht Chanel Marie
Knie. An einer Leine führt sie Schimmel Laureus herein, der mit
zwei Flügeln geschmückt ist. Souverän leitet sie ihn zu
Schulschritten an. Das Auge wird mit Dressurkunst und poetischen
Momenten verwöhnt. Sodann präsentiert sie zwei Friesen, die
unter anderem rückwärts laufen und sich mit den Vorderbeinen auf
die Piste stellen. Maycol junior kommt mit zwei gescheckten
Ponys und lässt sie unter den Friesen hindurchlaufen. Weiter
geht es mit weißen Arabern im Nebel, die sich zunächst frei
bewegen. Dann mischt sich Ivan Frédéric Knie auf einem Friesen
reitend unter die Gruppe und dirigiert den Elferzug zu einer
wunderschönen Freiheit. Variantenreiche Figuren, in Bewegung und
stehend, arbeiten die herrlichen Pferde auf Kommando ihres
jugendlichen Trainers. Klassische Circuskunst par excellence.
Kaum sind die großen Vierbeiner hinter dem Vorhang verschwunden,
rennt Maycol junior mit einem seiner Ponys herein, lässt es über
niedrige Barrieren springen und leitet es zum Steigen an. Das
Finale bestreitet sein Bruder. Drei braune Araber springen
zunächst über die Barrieren, dann bringt Ivan Frédéric sie in
den Zwischenräumen zum Stehen. Es schließt sich ein dreifacher
Vorwärtssteiger an, bevor die Geschwister gemeinsam den
frenetischen Applaus des Publikums entgegennehmen.
Extreme
Light, Carmen und Holler, Kateryna Korneva
Zu Beginn
des zweiten Teils ist wieder die Bühne aufgebaut und wir erleben
ein Fest aus Wasser, Feuer, Licht, Musik und Artistik. Eine
Akteurin in einer sich öffnenden, beleuchteten Plexiglaskugel
zelebriert Akrobatik. Unter ihr schlagen Männer in Overalls mit
Drumsticks auf große Tonnen. Diese haben oben eine Schicht
Wasser und können dank LEDs auf der ganzen Höhe illuminiert
werden. Dazu gibt es Wasserfontänen in der Mitte und Flammen am
Rand der Bühne. Hinter diesem Spektakel voller Effekte steht die
Crew von Extreme Light. Mit einem Gast aus dem Publikum führt
Coperlin auf dem vorderen Teil der Piste stehend Kartentricks
vor. Statt um die Magie geht es auch hier zu allererst um den
Spaß. Die Rollschuhakrobatik von Holler Zavatta-Bogino und
Carmen Ribas-Segura haben die beiden im Stil ihrer spanischen
Heimat gestaltet. Zur authentischen Aufmachung kommen starke
Tricks, die das gutaussehende junge Paar souverän präsentiert.
Spektakulär sind insbesondere die rasanten Touren, bei denen
Holler seine Carmen nur mit den Zähnen festhält, während diese
ebenfalls mit ihrem Gebiss am Verbindungsstück hängt und sich
dabei um die eigene Achse dreht. Das gegenseitige Vertrauen ist
offensichtlich grenzenlos. Von diesem Duo wird noch zu hören
sein. Die zwischen den Sitzreihen stehende Violinistin und die
Saxofonistin lenken die Blicke auf sich, während die Bühne
hinausgefahren wird. Als lebender Ticket- und Snackautomat der
SBB bringt Peter Pfändler den Bahnkunden Carlos Amstutz schier
zur Verzweiflung. Auch hier gibt es wieder etliche Pointen, die
für Lachen im Rund sorgen. Allerdings wird auch jetzt kein Bezug
zum Circus oder gar zu Knie aufgebaut. Alle Nummern können
genauso gut an anderer Stelle gespielt werden. Schon zu Beginn
der letztjährigen Tournee war Kateryna Korneva mit ihrer Kür am
Flying Pole beim Schweizer National-Circus zu erleben. Bald aber
legte sie eine Babypause ein. Nun können wir ihren von der
Violinistin in der Manege begleiteten Auftritt erneut genießen.
Hier darf der Zuschauer träumen, großes artistisches Können
erleben und mit der hübschen jungen Dame mitfiebern. Denn ihre
Kunststücke sind mit einem nicht zu unterschätzenden Risiko
verbunden. Etwa, wenn sie sich in luftiger Höhe nur mit einer
Ferse an einem Ring festhält, der an der Stange befestigt ist.
Es herrscht durchaus Erleichterung, wenn Kateryna Korneva wieder
sicheren Boden unter den Füßen hat.
Dalian
Acrobatic Troupe, Coperlin Dustin Nicolodi, Team Navas
Sechs
junge Männer in schwarz-weißen Alltagsklamotten und mit dunklen
Schiebermützen betreten die Manege. In der Hand halten sie kleine
Metallkoffer. In jedem davon befindet sich eine Schnur mit
jeweils einer kleinen Schüssel an den Enden. In diesem Setting
lässt die Dalian Acrobatik Troupe ihre Meteore fliegen. Eine in
der Tat ungewohnte Präsentation für eine traditionelle
chinesische Kunst. Die 2019 beim Cirque de Demain mit Gold
prämierte Darbietung verbindet die eigentliche Jonglage mit
Elementen der Ikarischen Spiele sowie der Handvoltigen. So
entstehen wirklich neuartige Bilder. Die Verpackung zeichnet
sich mithin ebenso durch Originalität aus wie die eigentliche
Leistung. Nach „magischen Momenten“ mit Tüchern und Weinflaschen
lässt Coperlin zusammengeknüllte Papiertaschentücher
verschwinden – direkt vor den Augen eines Zuschauers.
Vermeintlich steckt er sich das Tuch in eine seiner Hände und
der Gast muss raten, in welche. Doch der hat keine Chance, denn
die Kleenex verschwinden auf ganz andere Weise. Selbst wenn der
Trick mit einem Schuh vollführt wird, schwant dem Herrn aus dem
Publikum nichts. Auch diese Nummern wird von Dustin Nicolodi
herrlich komisch gespielt. Nach langer Zeit gibt es bei Knie
wieder die Disziplin Todesrad zu sehen, oder wie sie nun heißt
„Wheel of Speed“. Dies gleich in doppelter Ausführung. Die
beiden Räder hängen nebeneinander, laufen aber im vorderen
Bereich aufeinander zu, ohne sich nur annähernd zu berühren.
Darauf arbeiten Hugo Gonzalez Esqueda, Jose Ponce Ramos, Julian
Aragon Zambrano und Sergio Celedon Quezada vom Team Navas.
Zumeist werden auf beiden Requisiten die gleichen Tricks gewagt.
Höhepunkt sind Salti auf den sich drehenden Außenrädern. Somit
sorgen die Hasardeure für ordentlich Nervenkitzel vor dem
Finale. Dieses wird durch ein aufblasbares weißes Pferd mit
Flügeln angekündigt, das über den Köpfen der Zuschauer durch das
Chapiteau schwebt. Zwischen den Sitzreihen des Gradins laufen
Bingo-Mitglieder mit beleuchteten Kugeln. Auf der inzwischen
aufgebauten Bühne erwarten die Saxofonistin mit Flügeln am
Kostüm und Maycol junior mit einer Feder den fliegenden Pegasus.
Dann gesellen sich Schwester Chanel und die Violinistin zu
Maycol junior. Mit einem ausfahrbaren Podest in der Mitte geht
es für sie in die Höhe. Auf dem Rand der Bühne sowie an der
Piste steht das Ensemble in blau-weißen Kostümen. Dazu gibt es
Wasserfontänen, Flammen und ein Feuerwerk aus der Kuppel. Es
entsteht ein wahrlich imposantes Bild. Das Publikum feiert es -
sowie die gesamten Show - mit minutenlangen Standing Ovations.
Geraldine Knie spricht die Dankes- und Abschiedsworte. Nach
einer Choreographie im Bingo-Stil fällt der letzte Vorhang.
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