Direkt gegenüber der
schwimmenden Schule am Donauinselplatz präsentiert sich das
Unternehmen der Familie Reinhard von seiner besten Seite.
Bereits an der Kasse zeichnet sich das Motto des diesjährigen
Saisonprogramms ab: Kalkweiße Gesichter mit pechschwarzen Augen
begrüßen freundlich die Gäste. Nach dem Einlass führt der Weg im
ersten Vorzelt durch ein aufwendiges, langes Labyrinth, bestückt
mit lebenden Geistern und beeindruckenden Licht- und
Soundeffekten zu Zelt Nummer zwei, wo die wohlsortierte, dem
Motto (im positiven Sinne) angepasste Restauration wartet. Der
Weg ins große Spielzelt gleicht dann dem Besuch einer
Geisterbahn, der Einlassbereich gleicht einer Grabkammer.
Andrè, Maria und Markus Reinhard
Nach der Begrüßung durch den
Chef des Hauses, Direktor Markus Reinhard, folgt zu schaurigen
Klängen eine Hula-Hoop-Darbietung von Maria Reinhard. Nach dem
Tanz mit den Reifen verirrt sich ein Clown der alten Schule ins
Chapiteau, der jedoch von Horrorclown Attila (Pascal Reinhard)
kurzerhand mit einem gezielten Schuss ins Herz auf dem kürzesten
Weg ins Jenseits befördert wird. Nach dem Intermezzo eines
Schlächters – dargestellt von Andrè Reinhard – mit Schürze und
Motorsäge leitet dieser kräftige Akrobat über zur Darbietung der
Handstandakrobatik. Über den Treppenlauf und diverse Schaubilder
gestreckter und gedrehter Figuren findet die Nummer ihren
Höhepunkt im Auf- und anschließendem Abbau zweier
Klotz-Pyramiden. Unterbrechung findet die Handstandnummer durch
zwei gruselige Hinrichtungsakte im Pranger mit Kettensäge und
Hacke. Nun folgt der Höhepunkt des ersten Programmteils: Der aus
der TV-Show bekannte Mr. Extrem, alias Kurt Späth, kommt zu
seinem ersten Auftritt. In einer US-Polizeiuniform, ausgerüstet
mit Schusswaffe und Tonfo-Schlagstock, betritt der an vielen
Stellen tätowierte Star die Manege und eröffnet seine Darbietung
mit einem Schuss aus der Pistole mit verbundenen Augen, wobei
das Ziel auf dem Kopf seiner Partnerin platziert ist. Nichts für
schwache Nerven ist die im Anschluss gezeigte Maximalbelastung
menschlicher Organe. Mit einem Fleischerhaken durch seine Zunge
zieht Kurt Späth am dünnen Stahldraht eine Dame aus dem Publikum
auf einem Dreirad nach vorne weg. Es scheint, dass jeden Moment
seine Zunge abreißen will. In der nächsten Übung geht es an die
Dehnbarkeitsgrenzen der Ohren. An kurzen Ketten an den Ohrringen
befestigt hebt Mr. Extrem eine 15 Kilogramm schwere
Auto-Starterbatterie hoch und schleudert diese im Kreis, die
Dehnung seiner Ohren erreicht beinahe die doppelte Länge. Ganz
im Stile eines Fakirs schluckt Späth den 50 Zentimeter langen
Meißel eines elektrischen Abbruchhammers. Die Nummer endet mit
dem Wurf einer Bowlingkugel aus großer Höhe auf den Bauch des
auf dem Rücken liegenden Künstlers, wobei im Moment des
Einschlages ein Porzellanteller die Energie aufnimmt und in
tausend Scherben zerspringt.
Seraina Imholz, Clowns,
Renè Dombrowski
Anspruchsvolle Artistik wird
geboten in den Nummern von Seraina Imholz am Rhönrad, die alle
erdenklichen Schwierigkeitsgrade scheinbar spielend meistert.
Blendend inszeniert ist die Einleitung zur Darbietung von
Michele Klein an den Tüchern, die als kleines Mädchen im Bett
schlafend von Fredy Krüger unsanft aus dem Schlaf gerissen wird
und die Flucht nach oben sucht. Mit der Hinrichtung eines
Auswählten aus dem Publikum auf dem elektrischen Stuhl leiten
die Clowns über zur Pause. Den zweiten Teil des Programms
beginnt Andrè Reinhard mit seiner Rola-Rola-Balance auf hohem
Plateau, verbunden mit diversen Jonglagen und Feuerspielen. Ein
Schauspiel der anderen Art ist die Parallel-Akrobatik an den
Tüchern von Michele Klein und Seraina Imholz. Dunkle Kostüme mit
Gerippe-Zeichnungen lassen im Eindruck des Schwarzlichts zwei
Skelette durch das Chapiteau schweben, wobei der artistische
Gehalt dieser Nummer leider in der Dunkelheit verschwindet. Nach
einem Intermezzo der Clowns mit einer gruseligen Zerstückelung
des Opfers unter der Decke folgt die Feuershow, präsentiert im
Teufelsgewand von Renè Dombrowski. Dem Spiel der Flammen
schließt sich das artistische Highlight an, die Arbeit am
Schwungtrapez von Michele Klein. Ohne jegliche Sicherung
zelebriert die Absolventin der Berliner Artistenschule am
höchsten Punkt im Circuszelt eine trickreiche Abfolge von
Schwüngen, Drehungen, Salti und Pirouetten im Genickhang. Mit
jugendlicher Leichtigkeit und ohne jede Angst bewegt sich
Michele Klein in dieser luftigen Höhe als stünde sie auf festem
Boden. Absolut sehenswert!
Kurt Späth alias Mr.
Extrem
Als Schlussnummer der
zweistündigen Veranstaltung ist der zweite Teil von Kurt Späth
als Mr. Extrem zu erleben. Nach der Entfesselung aus der
Zwangsjacke versucht er mit einem großen Messer, sich den Arm
abzutrennen. Die hervorragende Präparation dieser Requisiten
lässt den Einschnitt in den Unterarm und den einhergehenden
Blutaustritt so täuschend echt wirken, dass Zuschauer, die kein
Blut sehen können, gern mal in Ohnmacht fallen. Diesem Szenario
eins drauf setzt er dann, indem er sich mit einem Metallhammer
einen zehn Zentimeter langen Nagel in die eigene Nase schlägt
und sich anschließend diverse Kanülen und Spritzen in den Hals
sticht, welche zum Beweis der Authentizität von Zuschauern
wieder herausgezogen werden. Diese Show ist live, hier gibt es
keinen doppelten Boden, es ist hart an der Schmerzgrenze, aber
die Zuschauer gehen mit, wollen das sehen, fordern sogar noch
mehr. Das bekommen sie auch, wenn ein Opfer aus dem Publikum auf
einem Sessel fixiert und augenverbunden plötzlich eine lebende
Vogelspinne auf seinen Armen krabbeln spürt. Doch dem nicht
genug: Die Augenbinde wechselt den Besitzer, und der Künstler
schneidet mit einer elektrischen Kettensäge zwei Salatgurken in
den Händen der Zuschauerin in dünne Scheiben. Nur wenige
Millimeter über den Fingern seines Opfers erfolgt der letzte
Schnitt mit diesem gefährlichen Werkzeug. Überwältigend ist dann
der Schlusstrick: Mit einer messerscharf geschliffenen
Metalllanze, die Spitze unterhalb seines Kehlkopfes angesetzt,
schiebt Mr. Extrem seine auf einem Gefährt sitzende Partnerin in
die Mitte des Rings. Ein würdiger Abschluss dieser schrägen
Show. Nach dem großen Finale mit der Vorstellung aller Künstler
verabschiedet sich Direktor Markus Reinhard vom zahlreichen
Publikum. Während des Auslasses besteht große Nachfrage an
gemeinsamen Fotos mit den Untoten und Verblichenen, und auch in
der Restauration herrscht reger Betrieb an der Bar, wo es dem
Thema der Show angelehnte Drinks aus dem Jenseits gibt. |