Der
Wagenpark ist umfangreich. Dazu gehört unter anderem ein schmucker
Einlasswagen, der die Kasse beinhaltet. Dieser verkündet, dass sich der
Circus aktuell auf seiner 67. Tournee befindet. Und mit dem bisherigen
Verlauf ist Juniorchef Are Arnardo durchaus zufrieden. In exzellentem
Deutsch berichtet er, dass das Wetter in diesem Jahr gut mitgespielt
hat. Auf dem Tourneeplan stehen viele Eintäger mit zumeist einer
Vorstellung. Rund eine Stunde dauert es, bis das Material abgebaut ist
und in die nächste Stadt transportiert werden kann. Auch in Norwegen
zieht es die jungen Menschen verstärkt in die Großstädte. Mit der
Folge, dass die kleineren Städte an Einwohnern verlieren und für
längere Gastspiele an Attraktivität verlieren. Bei unserem Besuch in
Drammen, rund ein halbe Stunde von der Hauptstadt Oslo entfernt, ist
die Vorstellung richtig gut besucht. Viele Familien nehmen in den Logen
mit hölzernen Umrandungen und auf dem Gradin Platz. Letzteres besteht
im mittleren Teil aus Einzelstühlen, an den Seiten bieten die ersten
Reihen Schalensitze. Weiter oben sitzen die Zuschauer auf Bänken ohne
Rückenlehnen. Der Artisteneingang ist prächtig in rotem Stoff mit
goldenen Verzierungen gehalten. Über dem Arnardo-Schriftzug sitzt das
achtköpfige Orchester unter der Leitung von Edward Tyburski. Es spielt
wunderbare Musik, kommt allerdings nicht durchgehend zum Einsatz. Die
Lichtregie setzt die 13-Meter-Manege sowie einzelne Artisten gut in
Szene, ohne aber allzu viele Schnörkel zu bieten.
Laura Urunova, Desy Rich, Jimmy Folco
Das
Programm läuft ohne Füller, Schlag auf Schlag und hält einige echte
Highlights parat. Dabei sind viele großartige Nummern, die schon in
anderen renommierten Manegen Erfolge feierten. Präsentiert werden sie
von Helen Arnardo, die in glitzernder Robe die Moderation übernimmt.
Clown Jimmy Folco sorgt in seiner unvergleichlichen Art für das warm
up. Und die Norweger gehen überraschend gut mit, gelten sie doch eher
als zurückhaltend. Hier klatschen sie, was das Zeug hält. Der Auftakt
gehört Laura Urunova. Beim diesjährigen Festival „New Generation“ in
Monte Carlo gewann sie einen „Junior de Bronze“. Zunächst erleben wir
sie mit einer lebhaften Hundegruppe. Pudel verschiedener Größen
springen auf ihr Kommando durch die Manege, machen Männchen und bilden
eine Polonaise. Desy Rich lässt Hula Hoop-Reifen um ihren Körper
kreisen. Dies natürlich in vielerlei Varianten. So auch im Spagat.
Durch einen verstärkten Kontakt zum Publikum würde ihr Auftritt weiter
an Wirkung gewinnen. Mit seinen Zuschauern hat Jimmy Folco natürlich
keinerlei Berührungsängste. Als Kraftmensch bezieht er einzelne
Logengäste ein. Diese dürfen allerdings auf ihren Plätzen sitzen
bleiben und von dort die Echtheit der Requisiten prüfen. So verbiegt
der mit einer Medaille geschmückte „starke Mann“ einen Kleiderbügel und
jongliert mit drei Eisenkugeln.
Are Arnardo, Kenny Quinn, Ruslan Urunov
Jimmys
Schwester Paolina gehört zur Direktion des Unternehmens. Gemeinsam mit
Ehemann Are Arnardo zeigt sie Großillusionen. Wobei Are der eigentliche
„Zauberer“ ist und Paolina in verschiedenen Kisten verschwindet und
daraus wieder auftaucht. Das, nachdem die Requisiten mit Schwertern
oder brennenden Stäben durchbohrt wurden. Damit erhalten sie die
Tradition, die Circusgründer Arne Arnardo als Magier begann. Tritt Are
Arnardo im schwarzen Frack auf, bestreitet Kenny Quinn seine Nummer in
einem weißen. Der Meister-Taschendieb beherrscht das Norwegische
genauso perfekt wie alle anderen Sprachen, in denen er schon gearbeitet
hat. Hier wurde ihm das sprachliche Talent aber in die Wiege gelegt,
stammt doch sein Vater aus Norwegen. Äußerst charmant erleichtert der
Däne zwei Zuschauer um ihre Habseligkeiten. Geschickt lenkt er diese
ab, um an ihre Uhren, das Bargeld und den Schlüsselbund zu kommen.
Immer wieder sehr effektvoll ist das Klauen der Brille. Gekonnt wird er
dabei von seiner Gattin Joan unterstützt. Nachdem Jimmy Folco das Spiel
mit einem Luftballon verboten wurde, gehört die Manege dem Duo Urunov.
Ruslan Urunov reitet die Hohe Schule im Sattel, seine Gattin Elena
lenkt ihr Pferd vom Dogcart aus. Elegante Kostüme – wiederum ein weißer
Frack sowie ein wunderschönes Kleid – geben dieser stilvollen Kür einen
besonderen Glanz. Im Mittelpunkt steht aber eine herrliche Hohe Schule.
Diese zeigen sie sowohl einzeln nacheinander als auch in gemeinsamer
Choreographie. Ein Windhund komplettiert die letzte Nummer des ersten
Programmteils.
Alessandro Gillert, Laura Urunova, Familia Popey
Nach
der recht kurz gehaltenen Pause ist bereits das Drahtseil aufgebaut.
Aber zunächst sehen wir zwei Mitglieder der Familie Popey. Mit
komischen Zaubereien geben sie einen Vorgeschmack auf ihr großes
Entree. Auf dem gespannten Draht tanzt zunächst Cristina Moia. Nachdem
sie darauf ihre Schritte gezeigt hat, wird daraus ein Schlappseil.
Jedoch ein vergleichsweise straff gespanntes. Darauf bewegt sich
Alessandro Gillert mit traumwandlerischer Sicherheit. Er arbeitet so
ungewöhnliche Tricks wie Rola Rola-Balancen auf einer Kugel, die Fahrt
auf dem Einrad und den Zwei-Personen-Hoch mit Cristina Moia. Noch
einmal erleben wir Laura Urunova. Diesmal als Jongleuse zu Pferd.
Bälle, Keulen und große Reifen sind dabei ihre Requisiten. Wenngleich
an diesen Nachmittag nicht alle Tricks auf Anhieb klappen, erkennt man
die Klasse dieser Nummer. Im Quartett dann die Familia Popey. Die
Spanier verkörpern die immer seltener werdende Sparte der Entreeclowns.
Natürlich verstehen sie sich auf das Musizieren mit verschiedenen
Instrumenten. Darüber hinaus bringen sie rund um ihre Musikstücke viele
Gags. Diese gehen über in das „Herr und Frau Nachtigall“. Hier
allerdings in der Version zweier Insekten. Zum Abschluss gibt es noch
einmal Musik.
Cesar Pindo, Duo Kovatchevi, Kenya Boys
Für
großes Staunen steht der von den Weihnachtscircussen in Offenburg und
Heilbronn bekannte Cesar Pindo. Was er alles mit seinem Körper
anstellt, ist schon phänomenal. Als Schlangenmensch verknotet er seine
Gliedmaßen, wie man es selten sieht. Entsprechend hörbar ist die
Begeisterung, wenn der sympathische Ecuadorianer sich am Ende in eine
gläserne Kiste zwängt. Für Auflockerung sorgt sodann Jimmy Folco, der
vier Kinder aus dem Publikum auf eine lebhafte Reise nach Jerusalem
schickt. Emi Velkova und David Kovatchev bilden das Duo Kovatchevi.
Ihre wunderbare Kür am Washington-Trapez ist – in anderer Besetzung –
noch von Universal Renz und Busch-Roland bekannt. Wenn man beim zweiten
Musikstück die Augen schließt, denkt man unweigerlich an Olesandr
Krasyun mit seiner Oboe auf der Piste von Busch-Roland. Ein wunderbares
Bild. Das bietet natürlich auch heute noch die starke und gleichzeitig
harmonische Choreographie des jungen Paares. Zunächst am ruhenden, dann
am schwingenden Trapez zeigen sie ihre Tricks. David ist dabei der
Träger. Dies sogar im Kopfstand. Waka Waka heißt es zur Einstimmung der
Finalnummer. Drei geschmeidige Keny Boys beherrschen ein breites
Spektrum der Artistik und sorgen noch einmal für ordentlich Stimmung.
Menschenpyramiden, Seilspringen und Limbo Dance sind die Disziplinen,
in denen die Sunnyboys zu Hause sind. Aktuell verletzungsbedingt nicht
zu sehen ist Max Weldy mit seiner Comedy-Akrobatik am Trampolin. Zum
Finale erscheinen die Mitwirkenden mit großen Flaggen ihres
Heimatlandes. Die Direktion steht in prächtigen Gewändern in der
Manegenmitte und nimmt gemeinsam mit den Artisten den Applaus des
Publikums entgegen. Die Abschiedsworte spricht Are Arnardo.
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