Mitte 2019 wurde das neue Möbelhaus in
Heilbronn eröffnet. Hier kommt der Stellenwert der
Circus-Angebote in einem interessanten Detail zum Ausdruck: Auf
dem Platz direkt vor dem Haupteingang wurden Ringe und Mastfüße
in den Boden eingelassen, damit dort regelmäßig ein Circus
aufgebaut werden kann, ohne die Pflastersteine zu zerstören.
Eine Lösung, wie man sie vom Zürcher Sechseläutenplatz kennt.
Restauration draußen und drinnen
Die Aktivitäten des Unternehmens Rieger
bieten immer wieder auch Einkommensmöglichkeiten für
traditionelle Circusfamilien, die mit der Ausrichtung der
Angebote betraut werden. Viele Jahre währt insbesondere die
Zusammenarbeit mit der Familie von Stefanie und Andreas Sperlich
(„Circus Fantasia“). In diesem Winter veranstaltet der älteste
Sohn Billy einen Adventscircus vor dem Möbelhaus Rieger in
Esslingen, seine Eltern tun dies vor der Heilbronner Filiale.
Während das Gastspiel in Esslingen am 19. Dezember planmäßig zu
Ende geht, wird in Heilbronn recht spontan ein zweites, fast
vollständig verändertes Programm gespielt, dann vom 23. Dezember
2021 bis 9. Januar 2022. Wir sehen diese Variante. Etwa 80
Minuten dauert die Vorstellung, die ohne Pause gespielt wird.
Für Kinder und Erwachsene beträgt der Einheitspreis zehn Euro
auf allen Plätzen, egal ob auf den komfortablen Logenstühlen oder der
Klappsitztribüne. Solche längeren Gastspiele bieten Andreas Sperlich die Möglichkeit, seine Leidenschaft für die liebevolle
optische Gestaltung seines Unternehmens voll auszuleben. Der
metallene Zaun mit dem geschwungenen, hohen Torbogen als
Eingang umschließt den ganzen Circus. Schreitet man hindurch,
stehen links und rechts zwei selbst gebaute Restaurationsstände
im Stile nostalgischer Wagen zur Verfügung. Alles ist mit
zahllosen Lichterketten geschmückt. Weitere Verkaufsstände
bietet das Vorzelt, das gastronomische Angebot ist umfangreich.
Im Hauptzelt dominiert der hohe, samtrote Artisteneingang mit
dem halbrunden Portal das Bild. Die Bogenkonstruktion aus
goldfarbenem Metall ist mit zahlreichen runden Leuchten
geschmückt.
Karel Navratil, Anton
Tarbeev und Katrina Markevich, Sasha
Im Programm wirkt kein Mitglied der
Direktionsfamilie mit, alle Künstler sind engagiert. So
übernimmt der „Weihnachtmann“ die Begrüßung, allerdings nur mit
Lippenbewegungen zum Playback. Der vorproduzierte Text wird aus
dem Off eingespielt, was freilich etwas unpersönlich wirkt.
Begleitet wird der Herr im roten Kostüm von vier Rentierfiguren
vor einem Schlitten. Aus Fleisch und Blut sind dagegen die
bekannten Salvini Clowns, die uns zunächst mit einem
Glockenspiel empfangen. Dann lässt Anton Tarbeev alleine oder
gemeinsam mit seiner Frau Katrina Markevich bis zu drei Diabolos
fliegen. Zum Abschluss stapelt er auf seinem Kopf fünf Diabolos
und vier Verbindungsstifte, die er sich nacheinander zuwirft –
wohlbemerkt, während er auf einem Einrad balanciert. Mit
außerordentlicher Beweglichkeit fasziniert die junge
Kontorsionistin Sasha aus der Ukraine. Die klassisch gestaltete
Darbietung wird auf einem runden Tisch mit Handstützen
gearbeitet. Karel Navratil jongliert mit fünf Keulen und sieben
Ringen. Auf seinem Kopf balanciert er eine Stange mit einem
Haken und einer Schale am oberen Ende. Damit lassen sich die
Ringe und ein ebenfalls in die Luft geworfener Ball fangen. Mit
viel Spaß und Schabernack blödeln sich die Salvini Clowns durch
ihre verrückte Küche. Topf und Teller, Gummihuhn und Plastikeier
gehören zu den Requisiten dieses klassischen Entrees. Natürlich
werden auch die musikalischen Fähigkeiten demonstriert, am
Xylophon und mit dem Saxofon.
Katrina Markevich,
Sasha, Manuela Barlay
Das einzige Tier in der Vorstellung ist
der Hund von Katrina Markevich. Dieser macht auf ihrem Kopf
Männchen, während sie sich in den Spagat gleiten lässt und
wieder aufrichtet. Viele Sprünge und anderes mehr gehört ebenso
zum Repertoire dieser harmonischen Dressurnummer. Ein ganz
klassisches Genre bieten Mike Togni und seine Frau Manuela
Barlay mit ihren
tanzenden Tellern. Offenbar absichtliche Pannen und reichlich
zerbrochenes Porzellan sollen die Spannung steigern. Mir
persönlich ist das Treiben zu sehr in die Länge gezogen, gibt es
zu viele Scherben, doch dem Publikum scheint die Nummer zu
gefallen. Groß ist der Jubel, als sich schlussendlich auf jedem
der elastischen Stäbe ein Teller dreht. In ihrem zweiten, recht
kurzen Auftritt überzeugt uns Sasha nochmals von ihrer
Biegsamkeit – nunmehr in einer Akrobatik am Luftring, begleitet
vom Eiskönigin-Hit „Let it go“ und Schneemann Olaf am Boden.
Salvini Clowns, Katrina
Markevich, Familie Togni
Auch die Salvini Clowns sind nochmals zu
erleben und erzielen mit ihrem komischen Auto einen
Heiterkeitserfolg. Das Gefährt entwickelt ein amüsantes
Eigenleben. Katrina Markevich lässt bei ihren Antipodenspielen
die Teppiche kreisen, wie das übrige Ensemble einigermaßen
unbeeindruckt vom eigenwilligen Licht. So bewegt sie zwei
Teppiche mit den Füßen und jongliert dabei drei Bälle mit den
Händen. Seit einiger Zeit hat sie ihr Repertoire erweitert. Zum
einen bewegt sie einen Tisch mit den Füßen, zum anderen eine
lange Stange mit zwei aufgespannten Regenschirmen an den Enden.
Bei letzterem Kunststück jongliert sie auch noch zwei Teppiche
mit den Händen. Einen äußerst fröhlichen Abschluss und eine gut
gefüllte Manege bietet die Familie Togni mit den Geschwistern
Mike junior und Sharon sowie ihrer Mutter Manuela Barlay mit ihren rasanten
Lassospielen. Die sympathischen Akteure reichen sich bei
gemeinsamen Tricks die drehenden Lassos weiter, sie springen
durch die rotierenden Seile und kombinieren dies mit
Seilspringen. Im Finale verabschiedet sich das elfköpfige
Ensemble von einem zufriedenen Publikum. Die Abschiedsworte
spricht Weißclownin Pav Salvini, die zuvor auch mit Ansagen aus
dem Off moderiert hat. |