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Tigerpalast 25/26 - "Int. Varieté-Revue"
www.tigerpalast.de - 105 Showfotos

Frankfurt am Main, 17. Oktober 2025: Manche Dinge, die man immer wieder macht, werden irgendwann zur Routine. Und andere Dinge bleiben auch bei der x-ten Wiederholung etwas ganz Besonders. Ein Besuch im Tigerpalast gehört definitiv in die zweite Kategorie. Den nimmt man nicht einfach so beiläufig mit, sondern genießt ihn sehr bewusst. Ganz gleich, ob man erstmalig dort zu Gast ist oder regelmäßig die Shows anschaut. Einen besonderen Charme haben dabei die zweiten Vorstellungen des Tages, die zumeist um 22 Uhr starten.

Wenn man nicht für ein entsprechendes „Vorprogramm“ gesorgt hat, heißt das, sich gegen 21 Uhr nochmal von seinem Sofa zu erheben, ein wenig „fein“ zu machen und - wie in meinem Fall – die rund 30 Minuten Fußweg auf die andere Mainseite zurückzulegen. Noch schnell die an ihrem östlichen Ende nicht unbedingt einladende Einkaufsstraße Zeil zu überqueren und dann einzutauchen in diese ganz besondere Welt an diesem ganz besonderen Ort.


Entree und Blick in den Saal

Die Jacke wird an der Garderobe abgegeben, dann geht es zum Einlass in den Theaterraum. Nach der Kartenkontrolle übernimmt der Service und platziert die Gäste im Saal mit seinen bis zu 190 Plätzen. Die runden Tische mit den fast schon legendären Lampen darauf verteilen sich über mehrere Ebenen, sodass für gute Sicht gesorgt ist. Eine ganz besondere Perspektive bietet der Balkon mit einem großen Sofa in der ersten und Tischen in der erhöhten zweiten Reihe. Egal, wo man seinen Platz gefunden hat, der Service erfüllt aufmerksam und schnell die Getränkewünsche.


Anna Krämer

Bevor sich der Vorhang mit dem markanten Tigerkopf, dem Logo des Unternehmens, das erste Mal öffnet, setzt sich das vierköpfige Varieté-Orchester auf seinem Balkon an die Instrumente und sorgt für die musikalische Einstimmung. Das Quartett spielt in wechselnden Besetzungen, aber akustischer Hochgenuss ist immer garantiert. Dies natürlich den ganzen Abend über. Dann wird es dunkel im Saal und das Spotlight geht an. Darin steht unsere Gastgeberin Anna Krämer. Mit „Imagine“ von John Lennon eröffnet die Sängerin und Entertainerin die Show. Dank ihrer ganz eigenen Interpretation holt sie uns endgültig aus der realen Welt ab, die derzeit manchmal schwer zu ertragen ist. „Imagine all the people livin' life in peace“ heißt eine Zeile des Songs. Dass Menschen unterschiedlichster Nationen friedlich zusammenarbeiten können, beweist der Tigerpalast in der inzwischen 37. Saison. Und auch diese Internationale Varieté-Revue 2025/26 holt wieder Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Teilen der Erde nach Frankfurt am Main. Einige bleiben die gesamte Spielzeit bis zum 1. März 2026 im Programm, andere sind nur zeitweilig dabei. Die Homepage informiert über die jeweils aktuelle Zusammensetzung, kleinere Überraschungen nicht ausgeschlossen. Drei Sängerinnen und ein Wortakrobat wechseln sich als Conferenciers ab.


Semyon Krachinov, Simone Al Ani, Alex & Barti

Anna Krämer geleitet uns wunderbar durch den späten Abend. Mit hinreißenden eigenen Versionen bekannter Lieder und charmanten Moderationen. Dafür begibt sie sich auch auf Tuchfühlung mit dem Publikum im Saal. Als ersten Artisten kündigt sie uns Semyon Krachinov an. Der Jongleur gewann beim European Youth Circus 2006 „Silber“ in der höheren Altersklasse sowie den Preis des Tigerpalasts. 19 Jahre später ist er also einmal mehr auf dessen Bühne zu Gast. Ein Wirbelwind wie eh und je, spielt der Jongleur mit großer Leichtigkeit mit seinen Bälle und Keulen. Jeweils bis zu sieben davon lässt er gleichzeitig virtuos durch die Luft fliegen. Mindestens genauso faszinierend wie die bloße Anzahl sind die Touren, die er mit einer geringen Anzahl seiner Requisiten arbeitet. Für die Keulen nutzt er dafür neben den Händen auch die Füße. Dazu gibt es viel Personality. Ohne die geht es hier ohnehin nicht, denn das Publikum darf die Kunst aus nächster Nähe verfolgen. Ruhiger und geheimnisvoller wird es, wenn Simone Al Ani seinen Auftritt hat. Er manipuliert einen Ring und mehrere Glaskugeln. Was er genau macht, vor allen Dingen, wie er es macht, bleibt mysteriös. Ungläubiges Staunen auch bei Alex & Barti. Barti ist eine Marionette, die von Alex Jorgensen so virtuos gespielt wird, dass man tatsächlich den Eindruck hat, hier zwei Menschen in Interaktion zu erleben. Das Spielkreuz mit den vielen durchsichtigen Fäden daran ist natürlich offensichtlich. Die Bewegungen, die damit erzeugt werden, hält man hingegen nicht für möglich. Barti bewegt etwa einzelne Finger und seine Schultern. So beweist er sich als Pianist und Gitarrist. Ganz nebenbei schubst er seinen Puppenspieler umher. Wunderbar, den Künstler aus Kopenhagen und seinen kleinen Partner wieder einmal hier erleben zu dürfen.


Linda Sander, Duo Luna

Vor dem Auftritt von Alex & Barti verwöhnt uns Anna Krämer mit ihrer Version vom durch Oleta Adams bekanntgewordenen Lied „Get Here“. Bei der nun folgenden Interpretation von „Route 66“ bahnt sich die Sängerin einen Weg durch den Zuschauerraum. Einige der Tische und Stühle erhalten danach einen anderen Ort. Genauso wie Teile des Publikums, die sich kurzerhand auf der Bühne wiederfinden. Dieser Umbau hat hier Tradition und schafft an diesem Abend den notwendigen Platz für zwei Luftnummern. Den Anfang macht Linda Sander. Sie legt einen starken Auftritt am Vertikalseil hin. Über den Köpfen der Zuschauer zeigt sie in Ruhe akrobatische Posen und sorgt bei Wirbeln sowie rasanten Bewegungsabläufen Richtung Boden für schweißnasse Hände bei den Gästen. Diese würde es schon ordentlich Kraft kosten, das Seil überhaupt hinaufzuklettern. Wenn die Übung überhaupt gelingen würde. Linda Sander hingegen schafft dies mit spielerischer Leichtigkeit. Das Duo Luna hatte ich zuletzt beim Wereldkerstcircus im großen Theater Carré gesehen und ordentlich Mühe gehabt, sie mit dem Teleobjektiv einzufangen. Jetzt zeigen Marina Luna und ihre neue Partnerin Julia Katharina Wutte ihre Akrobatik am Luftring quasi genau vor meiner Nase. So hautnah erlebt man Varieté- und Circuskunst eben im Tigerpalast. Für die Artisten bedeutet das, dass jede Bewegung, die gesamte Mimik genau wahrgenommen wird. Damit geht das Duo Luna natürlich so souverän um wie alle anderen Mitwirkenden. Bei ihrem ersten Engagement in diesem Haus begeistern die Artistinnen mit ihren waghalsigen Tricks in der Luft und lassen uns bei schönen Bildern träumen.


Simone Al Ani, Albina & Andrei, Marko Karvo

„A Million Dreams“ lässt uns Anna Krämer träumen. Das Stück aus dem Soundtrack zum Film „The Greatest Showman“ wird vom Publikum begeistert gefeiert. Zu verständlich, weil einfach hinreißend gesungen. Und natürlich ebenso fantastisch durch das Varieté-Orchester begleitet. Die Augen sind beim Wiedersehen mit Simone Al Ani gefragt. Im schwarzen Outfit lässt er vor schwarzem Hintergrund zwei weiße, S-förmige Gebilde zwischen seinen Fingern rotieren. So entstehen immer wieder neuartige Gebilde. Albina (Zinnurova) und Andrei (Sokolov) kommen ursprünglich vom Sport und sind inzwischen im Showbusiness zu Hause. Das Duo kombiniert Hand-auf-Hand-Akrobatik mit gewagten Sprüngen. Bei letzteren wirbelt Andrei seine Partnerin in die Luft und fängt sie nach beneidenswert kontrollierten Flugsequenzen sicher wieder auf. Ganz einfach sieht es auch aus, wenn er Albina auf einem Arm trägt. Sie macht oben wahlweise einen Standspagat oder einen einarmigen Handstand. Das Ganze wird ungemein sympathisch und mit viel Lebensfreude zelebriert. Auch die Schlussnummer gehört einem Paar. Statt Körperbeherrschung stehen hier Fingerfertigkeit und Geschwindigkeit im Vordergrund. Für den Zuschauer ist es pure Illusion, wenn Marko Karvo mit Unterstützung von Gattin Vanessa Tauben und Papageien in den verschiedensten Varianten scheinbar aus dem Nichts hervorzaubert. Und das eben auf so engem Raum, dass ihnen das Publikum genau auf die Finger schauen kann. Aber die Gäste haben keine Chance, den Tricks auf die Schliche zu kommen. Einer der prächtigen Aras darf sogar eine Runde durch den Saal fliegen. Auch Kostümillusionen und das Zerreißen einer Zeitung, die am Ende doch nicht kaputt ist, gehören zum Repertoire. Zauberkunst auf höchstem Niveau, in höchster Vollendung präsentiert. Vanessa stammt übrigens aus Frankfurt, während Marko Karvo in Finnland zur Welt kam. Im traditionellen Finale verabschiedet sich das gesamte Ensemble.

Damit endet ein traumhafter Abend mit bekannten und neuen Gesichtern der Varietékunst. Ausgesuchte Persönlichkeiten, wahre Könner ihres Fachs. Dazu das einzigartige Ambiente und die familiäre Atmosphäre. Denn die beiden Direktoren, Margareta Dillinger und Johnny Klinke, sind vor Ort und kümmern sich höchstselbst um ihre Gäste. Den Tigerpalast gibt es eben nur in Frankfurt am Main, er ist und bleibt einzigartig. Und ein Besuch dort ist somit immer wieder etwas ganz Besonderes.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch