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Friedrichsbau - "Legendary: Elvis"
www.friedrichsbau.de - 118 Showfotos

Stuttgart, 12. September 2025: Nicht zum ersten Mal stellt das Friedrichsbau-Varieté in Stuttgart den „King of Rock’n’Roll“ in den Mittelpunkt einer Eigenproduktion. Doch noch nie zuvor hat das Theater zugleich die persönliche Lebensgeschichte von Elvis Presley beleuchtet – erzählt von seinem Zwillingsbruder Jesse Garon, der eine Stunde vor Elvis auf die Welt kam und leider tot geboren wurde. Mit Engelsflügeln, aus dem Jenseits sprechend, kommentiert Jesse das Geschehen und wartet darauf, mit seinem Bruder wieder vereint zu sein. Eine interessante Perspektive.

Nachdem 2012 („Welcome to Las Vegas“) und 2016 („Celebrating the King“) der Stuttgarter Ray Martin den Elvis gab, haben die Varieté-Macher rund um Geschäftsführer Timo Steinhauer und Regisseur Ralph Sun nun für die Show "Legendary: Elvis" einen neuen Interpreten gefunden: den 49-jährigen Nils Strassburg. Er lebt ebenfalls im Großraum Stuttgart und wird nach der Varieté-Spielzeit wieder mit seiner Produktion „The Musical Story of Elvis“ und zehnköpfiger Band auf Tournee gehen. Bei einem Wettbewerb von Time Warner wurde er als bester Elvis-Interpret Deutschlands ausgezeichnet.


Ruben Dietze, Nils Strassburg, Oleksii Filippov und Sofia Mezentseva

In der ersten Szene zeichnet der Friedrichsbau genau nach, wie eine Elvis-Show ab 1971 begann: mit der sinfonischen Einleitung zu Richard Strauss‘ „Also sprach Zarathustra“, die mit ihren triumphal anschwellenden Trompeten und donnernden Pauken das klangliche Sinnbild für Größe und Erhabenheit schlechthin ist. Und dann tritt der „King“ auf die Bühne, im weißen, paillettengeschmückten Ganzkörperanzug und mit dem überaus rasanten „See See Rider“, hier interpretiert von Nils Strassburg. Stimme und Habitus, Haartolle, Kostümierung und Hüftschwung – der Stuttgarter reicht tatsächlich sehr nahe an das Original heran. Statt von einer Live-Band kommt die Begleitmusik im Friedrichsbau vom Band, doch vier Tänzerinnen der „Vegas Showgirls“ in weißen Kostümen mit Federboas und passendem Kopfschmuck verleihen den notwendigen Glanz. Zu diesem trägt auch das edle Bühnenbild mit angedeuteten weißen Türen bei. Nach zwei weiteren Elvis-Songs auf der Bühne tritt erstmals sein verstorbener Zwillingsbruder Jesse ins Licht. Verkörpert wird er von dem Stuttgarter Schauspieler Ruben Dietze, in weißer Hose, weißem Tanktop und eben mit Engelsflügeln. „Ich existiere nur in der Erinnerung“, sagt er. Seine Mutter habe seinen Tod kaum verkraftet, sein Vater sei aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage der Familie eigentlich erleichtert gewesen, nur ein Kind ernähren zu müssen. Und Elvis selbst habe bis zu seinem Tod versucht, ein Leben für beide zu leben. „Are you lonesome tonight?“ ist der nächste Song, den Nils Strassburg nun singt, auf einem weißen Bett liegend und ihn wie einen Kommentar zu den Erzählungen seines Bruders wirken lassend. Als erste artistische Darbietung des Abends präsentieren Oleksii Filippov und seine Frau Sofia Mezentseva ihre Partnerakrobatik. Energiegeladener Tanz, Hebefiguren und ein Wurftrick zum Abschluss sind Bestandteile des Repertoires des jungen Paares.


Nils Strassburg und Vegas Showgirls, Valerie Sealey

Jesse erzählt uns, wie Elvis sich – einer Idee seines Managers folgend – öffentlichkeitswirksam zum Militär einberufen ließ und als Soldat nach Deutschland ging. Während der Zeit des Grundwehrdienstes starb die Mutter der Presley-Brüder. Nun dürfen natürlich „Muss i denn zum Städtele hinaus“ und die amerikanische Variante „Wooden heart“ nicht fehlen. Auch erfahren wir, wie Elvis dank seiner erotischen Ausstrahlung für eine „Sexualisierung“ seines Heimatlandes verantwortlich gemacht wurde. In Szene gesetzt wird dies mit einem sinnlichen Tanz von vier „Gespielinnen“ in verschiedenfarbigen Nachtgewändern, die sich gemeinsam mit dem „King“ auf dem großen Bett räkeln. Jesse berichtet weiter, wie Elvis die erst 14-jährige Priscilla kennenlernte und später heiratete. Frauen hätten dem Sänger Trost und Schutz gespendet, aber ihm auch als Schmuckstücke gedient. Der Tod jeweils eines Elternteils und der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind habe ihn zunächst mit Priscilla verbunden. Elvis sei im Laufe seines Lebens älter geworden, die ihn umgebenden Frauen nicht. Zur Übersee-Episode passt auch die Jonglage von Valerie Sealey, die ein Paddel kunstvoll wirft und fängt, auf ihren Armen kreisen lässt oder antipodistisch mit dem Fuß bewegt. Eine große Tanz- und Gesangsnummer mit Nils Strassburg im goldenen Sakko, dem „Jailhouse Rock“, den Vegas Showgirls und den Artistinnen des Ensembles beschließt den mit nicht ganz 45 Minuten recht kompakten ersten Programmteil.


Oleksii Filippov, Ruben Dietze, Valerie Sealey

Zu Beginn der zweiten Hälfte ist der Chinesische Mast aufgebaut, an dem Oleksii Filippov in einer recht kurzen Trickfolge sein Können demonstriert, von kraftvollen Abstehern bis zum gewagten Hinunterrutschen in Kopfüber-Position. Vor zwei Jahren war er als Teil der Truppe Bingo bzw. mit deren Formation „Five Boys“ im Schweizer National-Circus Knie zu erleben. Jesse alias Ruben Dietze – charmant, eloquent und gut aussehend – erzählt uns weiter von Zwillingsbruder Elvis, der als „weißer Künstler mit schwarzem Sound“ die Musik für immer verändert habe. Und der mit ständigen Live-Auftritten ein so hohes Pensum geleistet habe, dass er das irgendwann nicht mehr ohne vermeintliche „Hilfsmittel“, ohne Drogen, leisten konnte. Mit „In the Ghetto“ und „Hounddog“ werden weitere Songs eingestreut. Das Ballett tanzt in Hotpants und Blusen. Auch 31 Musikfilme gehören zu Elvis Presley Lebenswerk, wie sein Zwillingsbruder Popcorn essend zusammenfasst. Nachdem die Qualität der Streifen immer weiter nachließ, wollte sich Elvis wieder auf die Musik konzentrieren. „Edge of Reality“ ist hier das Musikstück dazu. Bei seinem Gesang wird Nils Strassburg wiederum von den Vegas Showgirls begleitet, nunmehr in Jumpsuits in unterschiedlichen Farben. Mit drei LED-Leuchtstäben jongliert Valerie Sealey in ihrem zweiten Auftritt. Es wirkt durchaus effektvoll, wie sie auf der abgedunkelten Bühne die Stäbe beispielsweise über ihren Rücken gleiten lässt und wieder fängt.


Katharina Dröscher, Nils Strassburg und Vegas Showgirls

Jesses Einlassungen zu seinem Bruder werden zunehmend dramatischer. Elvis habe eine wundervolle Seele und ein gutes Herz gehabt, aber oft auch nicht Nein sagen können. Durch zunehmendem Druck und Depressionen geriet der Musiker in einen Teufelskreis der Tabletten, von Muntermachern am Morgen bis Schlafmitteln am Abend. Bei seinem letzten großen Auftritt – der Fernsehaufzeichnung von „Unchained Melody“ im Juni 1977 – sei ihm klar geworden, dass sein vom Leben gezeichneter Bruder und er bald wieder vereint sein würden, erklärt Jesse. Den Drahtseilakt des Lebens versinnbildlicht nun Katharina Dröscher. Auf dem Drahtseil beeindruckt sie mit rasanten Läufen, Sprüngen und dem Spagat. Valerie Sealey beweist, dass sie nicht nur LED-Stäbe im Dunkeln, sondern auch Holzstöcke auf hell erleuchteter Bühne bewegen kann. In bewegender Weise schildert Jesse die letzten Stunden im Leben von Elvis Presley. In der Nacht vor dem anstehenden Start einer Konzerttournee erlag er einer Überdosis Tabletten und Schmerzmittel, mit denen er seine Angst und Nervosität bekämpfen wollte, und wurde schließlich von seiner Verlobten Ginger tot im Badezimmer aufgefunden. „Nun sind wir endlich wieder zusammen – ich freue mich auf meinen kleinen Bruder“, lautet Jesses lakonisches Fazit. Auf der Bühne indes werden nochmal alle Register gezogen, mit großen Elvis-Hits wie „Suspicious Minds“ und „I can’t help falling in love“, mit einem wie entfesselt singenden und tanzenden Nils Strassburg im schwarz-goldenen Outfit und mit den Vegas Showgirls in herrlichen, pinkfarbigen Federschmuck-Kostümen. Im Epilog singt Strassburg noch eine berührende Vaiante von "My Way".

Standing Ovations des hingerissenen Publikums im ausverkauften Saal sind der Lohn für diese aufwendig in Szene gesetzte Produktion. Sie ist freilich mehr eine wirklich gute, biografische, bewegende Musikshow als ein Varietéprogramm im üblichen Sinne. Die wenigen artistischen Nummern spielen hier allenfalls die zweite Geige und wären letztendlich gar nicht notwendig, um ein Elvis-begeistertes Publikum zu erreichen. Denn auch fast ein halbes Jahrhundert nach seinem viel zu frühen Tod hat der „King“ – der mehr Platten verkaufte als jeder andere Mensch bisher – unzählige Fans, auch in jüngeren Generationen.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll