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Friedrichsbau - "Generations"
www.friedrichsbau.de - 149 Showfotos

Stuttgart, 13. September 2024: Von Trennendem und Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Altersgruppen, von Auseinandersetzung und Versöhnung, erzählt „Generations“, die Herbstproduktion im Friedrichsbau-Varieté Stuttgart. Für die Junioren steht dabei eine Riege vorwiegend junger Artisten und Illusionisten, für die Senioren der stets mürrische und leicht unverschämte Zauberer André Hieronymus. Er war im Frühjahr 2020 als Mittelpunkt der Show „TOLLhouse“ vorgesehen, doch diese musste aufgrund des ersten Corona-Lockdowns leider nach fünf Abenden eingestellt werden.

Nun erhält André Hieronymus doch noch die Gelegenheit, sich einem größeren Publikum zu präsentieren. Während er in „TOLLhouse“ den Vermieter spielte, der Mitglieder für seine Wohngemeinschaft suchte, gibt er in „Generations“ den Vater – verlassen von der Exfrau, die mit Tochter Fiona ausgezogen ist. Sohn Craig lebt dagegen mit seiner Freundin Coco beim Papa, beide tragen „jeweils 60 Prozent“ der Miete. Ein gutes Geschäft also für Hieronymus, dessen amüsante Sprüche als „Kapitän der guten Laune“ und Vertreter des „preußischen Entertainments“ langjährig bekannt sind, beispielsweise auch aus seiner Friedrichsbau-Verpflichtung 2008 in „Bitter Sweet“. Der stattliche Herr in schwarzem Frack und mit ebensolchem Zylinder auf dem Kopf ist eine markante Persönlichkeit, die in Erinnerung bleibt. Und außerdem ein Zauberer, der sein Handwerk beherrscht. Er kann sowohl Münzen verschwinden lassen als auch Zehn-Euro-Scheine in Hunderter verwandeln. Frei nach dem Motto „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ unterhält sein „Sohn“ Craig Christian im komplett schwarzen Outfit mit Kartenmanipulationen auf dem großen Bett in der Bühnen-Wohnung, musikalisch begleitet von einer coolen Version von „Feeling Good“.


Ensembleszene

Die Rückkehr der Tochter, begleitet von ihren Freunden, wird in einer großen, Charivari-artigen Ensembleszene gefeiert. Dabei rotiert das Bett mehrfach um die eigene Achse, ist Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Illusionen in allen Facetten bilden einen Schwerpunkt des kreativen Schaffens im Friedrichsbau-Varieté, und in der aktuellen Show gelingt es Regisseur Ralph Sun, wieder einmal eine ganz neue Facette davon zu präsentieren.


Alex Black, Craig Christian und Covo Frankitt, Nataliia Vorona

Alex Black steht hierfür eine große Leinwand zur Verfügung, welche die gesamte Rückwand der Bühne ausfüllt. Dabei interagiert er mit dem Geschehen auf dem Screen - zwischen Blitzen und Sternenhimmel, zwischen Eiscreme und Burger, mal scheinbar ein großes, dreidimensional wirkendes Auto auf seinen Händen drehend, mal von munter schwimmenden Fischen umgeben. Ein faszinierendes Zusammenspiel aus Realität und Fiktion, Video und Hologrammen, das locker durch verschiedene Zeiten springt. Ganz und gar nicht locker ist Hieronymus, der den jugendlichen Besuchern vorhält, dass er selbst mit 18 Jahren schon den Facharbeiter-Brief gehabt habe. Nach weiteren Einlassungen zur Jugendsprache, von „goofy“ bis „NPC“, kommt er zum Schluss, dass Jung und Alt so gut zusammenpassen wie das Zähneputzen mit einer Drahtbürste angenehm ist. Etwas „cringe“ erscheinen uns jedenfalls die zahlreichen Re-Engagements im Friedrichsbau. Genau ein Jahr nach seinem ersten Engagement ist Craig Christian hier wiederum vertreten. Per Kamera auf die Leinwand im Bühnenhintergrund geworfen wird von Assistentin Coco Frankitt sein Spiel mit Münzen, die er in wundersamer Weise ihre Plätze wechseln und sich vermehren lässt. Das ist uns eben aus der Herbst-Produktion 2023 noch in bester Erinnerung. Nataliia Vorona oszilliert bei ihrer sinnlichen Pole-Akrobatik zwischen schwerlosem Tanz und interessanten, kraftvollen Figuren. Als besonderer Clou ergreift sie am Ende, von der Oberkante der Bühne und scheinbar aus dem Nichts, ein rotes Gymnastikband, das sie effektvoll in ihr Spiel einbezieht. Humorvoll gelöst wird der Abbau des Requisits, den Mitglieder des Ensembles mit Plan in der Hand generalstabsmäßig angehen.


Fiona Rother, Alex Black und Natalia, Nataliia Vorona

„Blöder Platz“ ist quasi der Rufname, den der schlecht gelaunte André Hieronymus für einen Zuschauer in den ersten Reihen wählt, der beim Hütchenspiel raten muss („Er kann nicht gewinnen, da ist ein Trick dabei.“). Aus dem Ensemble der Absolventenshow der Berliner Artistenschule 2023 kommt Fiona Rother mit ihren Gymnastikbällen, die nunmehr wie Augäpfel gestaltet sind. So startet André Hieronymus' "Tochter" zu einem Rückwärtssalto mit dem Ball in den Händen und landet bäuchlings auf diesem. In ebenso liegender Position hüpft sie auf dem Ball, gefolgt von Drehungen und Wendungen. Bemerkenswert ist der Schlusstrick, bei dem sie vom freien Stand auf dem Ball in eine Brückenposition wechselt. Dazu flimmern auf der Leinwand bedeutungsschwere Texte rund um die Wahrnehmung mit den Augen und das Zusammenwirken von Jung und Alt. Und der Screen im Hintergrund kommt gleich nochmals zum Einsatz, wenn bei Alex Black und Partnerin Natalia eine reale Quickchange-Nummer mit den eingeblendeten Titeln von Modezeitschriften kombiniert wird. Die Outfits korrespondieren dabei mit den Magazincovern. Die kreative, fantasievolle Nummer gipfelt im Erscheinen eines plastisch wirkenden Fisches, der offenbar vor der Leinwand schwebt, sowie einer wundersamen Regenschirm-Vermehrung. André Hieronymus tritt nochmal in direkte Interaktion mit dem Publikum, unter anderem mit einem Trick, bei der eine Zuschauerin die richtige Spielkarte durch Auspendeln erkennt. Nataliia Vorona tauscht nun den Pole gegen zwei rote Strapatenschlaufen, an denen sie kunstvolle Posen demonstriert, und mit Tricks wie Genickhang, Abfaller bis in den Fußhang und Seitspagat ohne Einsatz der Hände beeindruckt.


Elias Oechsner, Hieronymus, Uliana Khavrona

Während sich die „Jugend“ zum Beginn des zweiten Programmteils um den Fernseher schart, räsoniert „Papa“ Hieronymus darüber, dass diese Generation eher mit einem „Hausverbot“ als dem früher üblichen Hausarrest zu bestrafen sei. Keine Hochglanz-Nummer, sondern einen eher alternativen Act, den man sich auch beim Straßentheater vorstellen könnte, steuert Elias Oechsner bei. Er beginnt seine Balljonglagen zunächst mit eigenem Singsang statt Musik vom Band und tritt mit seinen Bällen in Interaktion wie mit dressierten Tieren. Sie werden zusätzlich auf Stühlen wie auf Postamenten platziert. Aber auch das eigentliche Können kommt nicht zu kurz, beispielsweise bei Jonglagen hinter dem Rücken. Originell ist überdies, wenn er einen Ball mit dem Fuß durch einen Ring wirft, den er an einem Stab in der Hand hält. Nachdem Hieronymus feststellt, dass es wohl Beschwerden zu seinem Ton gegeben habe, will er nun zeigen, dass er auch anders kann. „Spiel mal was Peppiges“ ruft er in Richtung Musikregie und blödelt sich im lila Anzug und mit aufgesetzter Fröhlichkeit durch einige Zaubertricks. Eine dritte Variante ihrer Kombinationen aus Realität und Fiktion servieren Alex Black und Natalia, die nunmehr vor neuen Leinwandmotiven mit Leuchtobjekten jonglieren. In einem sexy schwarzen Netzoutfit lässt Uliana Khavrona die Hula-Hoop-Reifen kreisen. Auf einen Tanz mit den Reifen, bei denen diese auch geworfen werden, folgen klassische Tricks. Bis zu sechs Hula Hoops drehen sich in hoher Geschwindigkeit um ihren Rumpf, um ihre Arme und Beine. Das Publikum geht begeistert mit. Abschließend bewegt sie genretypisch ein ganzes Bündel aus Reifen.


Hieronymus, Gabriel Drouin, Craig Christian

„Der Vater gibt eine Runde aus“ lautet das Motto, wenn Hieronymus auf vergnügliche Weise immer mehr Glasflaschen aus Röhren hervorzieht und dabei Gläser und Flaschen die Plätze tauschen lässt. Ganz ernsthaft wird es dagegen nochmal bei der Schlussnummer. Gabriel Drouin ist ein Typ wie ein Baumstamm, dazu passen Holzfällerhemd, Tattoos sowie Vollbart. Die Statur hält ihn nicht davon ab, im Cyrrad behände über die Bühne zu rotieren, sich bei den dynamischen Bewegungen teils nur mit einer Hand haltend. Craig Christians abschließende Magic-Nummer, in der sich scheinbar seine Finger verlängern, kennen wir im Wesentlichen aus dem Vorjahr. Auch die Rahmenhandlung kommt zu ihrem Ende – die angeblich so nervigen „Kids“ verlassen die Wohnung, der Vater bleibt enttäuscht und traurig zurück, sucht Trost bei seiner Spielzeug-Ente. Nun erkennt Hieronymus, dass Jung und Alt trotz aller Gegensätze zusammengehören, dass er froh ist, seine Familie zu haben. Die Versöhnung mit dem wiederum zurückgekehrten Craig bildet das Happy End dieser Vorstellung.

Die Rolle des Vaters wirkt für André Hieronymus mehr übergestülpt als ihm auf den Leib geschneidert. Vielleicht einer der Gründe dafür, dass bei der Abendpremiere einzelne Teile dieser Show mehr überzeugt haben als die Summe des Ganzen. Vieles wird sich sicherlich noch einpendeln im Laufe der Spielzeit, die bis zum 3. November reicht. Das Publikum spendete nach anfänglicher Zurückhaltung letztendlich kräftigen Applaus.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll