Die fünf
angesetzten Vorstellungen, eine mehr als im Vorjahr, sind
schnell ausverkauft. Und das bei einer durchaus respektablen
Kapazität, welches das größtenteils überdachte Auditorium vor
der Bühne im historischen Ambiente der Burg Hayn bietet.
Entree zu den Burgfestspielen Dreieichenhain
Trotz des
weitgehend gegen die Witterung geschützten Zuschauerraums und
einer ebenfalls überdachten Spielfläche handelt es sich hier
dann eben doch um eine Freiluftveranstaltung. Das wird am
Premierenabend des Varieté unter Sternen deutlich. Der Himmel
öffnet alle Schleusen, es regnet in Strömen. Als das Wasser
danach zumindest soweit beseitigt ist, dasS der Großteil des
Programms gespielt werden kann, beginnt die Show mit rund
einer Stunde Verspätung. Von einem „Abend für die Ewigkeit“
gar berichtet die Offenbacher Post. Am Samstag spielt das
Wetter mit und wir erleben die zweieinhalbstündige Vorstellung
so, wie sie vorgesehen ist. Zusammengestellt und in Szene
gesetzt wurde sie wiederum von Maria Ochs, Leiterin
Veranstaltungen bei den Bürgerhäusern Dreieich, und ihrem
Team.
Martin O. mit Symphonium
Unser
Gastgeber auf der Bühne ist Martin O. aus der Schweiz. Er ist
ein versierter Künstler, eine derartige Show moderiert er aber
erstmalig. Das macht er souverän und äußerst sympathisch.
Seine gesanglichen Fähigkeiten stehen dabei im Vordergrund.
Bei seinem ersten Song stehen dem Publikum Fragezeichen im
Gesicht. Singt er doch nicht live? Ist alles Playback? Die
Auflösung gibt er sogleich. Die Erklärung ist sein Symphonium,
ein Instrument aus Appenzeller Nussholz. Damit kann er
Tonschnipsel aufzeichnen und sie an passender Stelle wieder
ausspielen. So entstehen faszinierende Effekte. Oftmals
interpretiert er bekannte Songs mit eigenen Texten. Auch
Reaktionen aus dem Publikum werden konserviert und für die
Musikstücke eingesetzt. Überhaupt gelingt Martin O. der
Kontakt zu den Zuschauern ganz wunderbar. Und er schafft es
ebenso spielend, seine Künstlerkollegen anzusagen, ihnen die
Bühne zu bereiten.
Duo
Laos, Alexey Glavatskyi, Lotta und Stina
Eröffnet
wird die Spielfolge vom Duo Laos. Mercedes und Pablo haben
sich eine einzigartige Partner-Akrobatik aufgebaut. Der starke
Untermann und die zarte Oberfrau. Doch die Adjektive beziehen
sich rein auf das Körperliche. Mercedes weiß sich in diesem
intensiven Spiel der beiden Akteure bestens zu behaupten. In
das Gegen- und Miteinander hat das Duo faszinierende Tricks
eingebaut. So etwa, wenn Pablo Mercedes mit einer Hand am
Genick festhält, sie mit dem Kopf unten. Hinzu kommen
verschiedene Einarmer und eher ungewöhnliche Figuren, die hier
so traumhaft einfach wirken. Auf das Schlappseil wagt sich
Alexey Glavatskyi. Der aus einer Circusdynastie stammende
Ukrainer präsentiert sich in klassischer Aufmachung und wird
von seiner Assistentin unterstützt. Auf dem locker hängenden
Draht hält er sich nicht nur auf einem Stuhl sitzend im
Gleichgewicht, sondern ebenfalls auf einem Einrad fahrend.
Während er auf dem Rad sitzt, kickt er bunte Becher in die
Höhe, die er auf dem Kopf auffängt. Zum Finale legt er eine
Röhre auf das Seil und darüber ein Brett, auf dem er stehend
mit drei Keulen jongliert. Dann erscheinen zwei aufgekratzte
Damen im Publikum. Dies im Zwei-Personen-Hoch und in
Morgenmäntel gekleidet. In den Haaren stecken Lockenwickler,
darüber sind Tücher geknotet. So sorgen sie für ordentlich
Wirbel in den Stuhlreihen und wenig später auf der
Spielfläche. Letztendlich ist es ihr Ziel, Hula-Hoop-Artistik
aufzuführen, was nach zig urkomischen Eskapaden auch gelingt.
Lotta und Stina stehen für diesen herrlichen Spaß. Die
Finninnen verfügen über einen wunderbaren Humor, genauso wie
über artistisches Können. Bei den beiden ist einfach alles „ok“.
Shyno,
Noah Chorny, Lotta und Stina
Beste
Stimmung verbreitet der blendend aussehende Shyno. Sofort
findet er bei seiner Akrobatik auf einem Hoverboard den Draht
zum Publikum. Auf dem selbstfahrenden Brett mit Rollen
darunter hält er sich auf zwei Händen genauso im Gleichgewicht
wie auf einer. Dabei zelebriert er verschiedene
Handstandvarianten. Zwischendurch hat der Spanier noch Zeit
für eine Breakdanceeinlage. Die Sounds dazu steuert Martin O.
bei. Nach dieser Darbietung kündigt der Moderator gemeinsam
mit Noah Chorny auf originelle Weise die Pause an. In der
Unterbrechung gibt es nicht nur Getränke und kleine Speisen,
sondern dazu noch Livemusik von einem Trio. Noah Chorny
übernimmt auch den Start in Teil zwei. Im Outfit eines
Hausmeister erklimmt er die Straßenlaterne neben der Bühne.
Das Requisit entpuppt sich als schwankender Mast, an dem der
Artist allerlei Kabinettstückchen wagt, die natürlich großes
Können voraussetzen. Hier treffen Comedy und Akrobatik
aufeinander. Woher die Kraft dafür kommt, demonstriert Noah
Chorny beim abschließenden Striptease auf der Laterne. Noch
einmal geht es nach Finnland. Lotta und Stina kommen warm
eingepackt von einer Langlauf-Tour nach Hause. Allein dieses
Intro sorgt schon für Heiterkeit. In der warmen Stube, sprich
auf der Bühne, angekommen, geht es auf eine Rola Rola für
zwei. Will heißen, die Walze ist länger und das Brett breiter
als gewöhnlich. Während die beiden darauf balancieren,
entledigen sie sich nach und nach ihrer Skioutfits, bis sie
nur noch eine Lage Stoff am Körper tragen. Das Ganze wieder im
amüsant-erfrischenden Zusammenspiel mit dem Publikum. Ein Gast
darf sogar beim Schlusstrick von Lotta und Stina assistieren.
Dabei trägt eine Artistin die andere und balanciert dieses
Konstrukt auf zwei Händen.
Luzie
Lou, Alexey Glavatskyi, Claudius Specht
Für die
Luftnummer im Programm wird ein Metallgestell neben der Bühne
genutzt, an dem in diesem Jahr der Luftring von Luzie Lou
aufgehängt ist. Daran zelebriert die Absolventin der
Staatlichen Artistenschule Berlin eine wunderschöne Kür,
ausdrucksstark und akrobatisch anspruchsvoll. Sie hält sich am
Ring mit den Kniekehlen genauso gekonnt fest wie mit einem
Fuß. Zudem beweist sie die Biegsamkeit und Beweglichkeit ihres
Körpers. Es ist eine durchgehend erzählte Geschichte, mit der
Luzie Lou die Gäste in Dreieichenhain verzaubert. Mit einem
noch größeren Reifen als seine Kollegin bestreitet Alexey
Glavatskyi seinen zweiten Auftritt. Das Cyrrad dafür ist mit
LEDs besetzt, wodurch sich bei seinen Touren schön anzusehende
Lichteffekte ergeben. Immer wieder eine große Freude ist es,
Claudius Specht mit seinen Jonglagen mit Keulen und Bechern
erleben zu dürfen. Er ist ein erstklassiger Meister seines
Fachs und dazu ein ungemein sympathischer Showman. Sieben
Keulen lässt er zum Schluss gleichzeitig durch die Luft
fliegen. Allerdings ist das Spiel mit weniger dieser
Requisiten mindestens genauso faszinierend. Immer neue
Flugbahnen nehmen die Keulen von Claudius Specht, um danach
sicher aufgefangen zu werden. Spannend auch zuzusehen, wie der
gebürtige Schweizer mit ungeheuer schnellen Augenbewegungen
den eigenen Tricks folgt. Die Jonglagen mit Bechern werden
nicht häufig gezeigt und sind somit für viele Zuschauer eine
Premiere. Ausgiebig gefeiert wird das Finale. Leuchtende Stäbe
spielen bei den Choreografien aller Mitwirkenden eine wichtige
Rolle, zudem gibt es zahlreiche Zugaben. Zum Abschied wird das
Ensemble regelrecht gefeiert. |