Auf „Equus – Artisten und Pferde zwischen Himmel und Erde“ folgte „Equus
II – Die Kunst der Pferde und Artisten“. Bemerkenswerter als das,
was beibehalten wurde, sind freilich die Änderungen am Konzept. So
wurde „Equus“ im Prolog der Erstauflage als Fabelwesen beschrieben,
das auf seiner Reise durch Raum und Zeit auf edelste Pferde und
wagemutige Artisten treffe. Im weiteren Verlauf der Show spielte
dieser Handlungsansatz aber keine Rolle mehr. In diesem Jahr wurde
konsequenterweise auf jegliches übergeordnete Thema, jede
Rahmenhandlung komplett verzichtet.
Elmar Kretz und ein Teil des
Ensembles
Vor allem jedoch hatte Elmar Kretz kein Orchester mehr verpflichtet.
Angesichts des enorm hohen Aufwands und der Kosten für eine solch
kurze Spielzeit eine gewiss verständliche, aber doch auch
bedauerliche Entscheidung. Im Vorjahr konnte man sich noch am
herrlichen Spiel von 15 Musikerinnen und Musikern erfreuen. Mit 24
eigens geschriebenen Arrangements sorgten sie damals für den
besonders festlichen Glanz der Veranstaltung. Umso mehr, als ihr
Arbeitsplatz der frühere Artisteneingang des Schweizer
National-Circus Knie war, den Elmar Kretz gerade übernommen hatte.
Dieser kam heuer nicht zum Einsatz. Stattdessen prangte über der
Sternen-Manege und vor den schwarzen Bühnenvorhängen eine
Videoleinwand. Sie zeigte zu den einzelnen Darbietungen thematisch
passende Bilder. Stark wie im Vorjahr präsentierten sich das
aufwendige Licht und der gute Ton.
Milena Kretz, Vera Munderloh und Stefanie Seebauer, Texas Ollie
Das eigentliche Programm erschien uns stärker als 2017, außerdem
auch – im positiven Sinne – kompakter, straffer im Ablauf. Zum
Auftakt zeigen die beiden Reiterinnen Vera Munderloh und Stefanie
Seebauer aus dem Team Anja Beran ihre Hohe Schule mit Garrocha, dem
traditionellen Stab spanischer Rinderhirten. Bei dieser Disziplin
steht zum einen die besondere Wendigkeit des Pferdes im Vordergrund.
Zum anderen hat die Reiterin nur eine Hand am Zügel, muss sich also
besonders auf die Hilfengebung mit Gewicht und Beinen konzentrieren.
Gerne gesehene Gäste in den Produktionen von Elmar Kretz sind die
beiden in der Schweiz lebenden Chinesinnen des Duos Yingling. Hier
überraschen sie zunächst mit einer Teppichjonglage direkt vor der
steil aufragenden Zuschauertribüne. Diese Darbietung kannten wir
noch nicht. Mit jeweils einem Auftritt in beiden Programmteilen
bringt „Texas-Ollie“ mit seinem „Wunderpferd“ eine Prise Humor ins
Programm. Im ersten legt das Pferd sich mit Kissen und Decke
schlafen, im zweiten nimmt es einen Schluck „Cola“ aus der Flasche.
Leider kommt die Nummer im großen Saal der BigBox nicht so recht
„rüber“, jedenfalls nicht in den hinteren Reihen. Mehr und mehr in
die Fußstapfen ihres Vaters tritt die zehnjährige Milena Kretz. Sie
präsentiert sich als mutige Stehendreiterin. Auf dem Rücken zweier
Ponys springt sie so über Cavelleti. Zurück auf festem Boden, lässt
sie die kleinen Pferde Slalom laufen und steigen.
Iurie Basiul, Kathrin Roida und Theresa Hennel, Neyenne Frank und
Adrian Donnert
Iurie Basiul verpackt
seine Handstände und seine extreme Biegsamkeit in fließende
Bewegungen. Diese und die nachfolgenden rein akrobatischen
Darbietungen des Programms werden auf Podesten links und rechts der
Manege gezeigt. So wird der enorme Raum der Halle gut genutzt und
sind keinerlei Umbaupausen zwischen Pferde- und Artistiknummern
notwendig. Die doppelte Hohe Schule an der Hand gearbeitet, die
Kathrin Roida und Theresa Hennel präsentieren, wird von Sängerin
Nicole Ciroth mit einer italienischen Arie begleitet. Sie singt
diese inmitten des Publikums auf der Tribünentreppe. Nach dem
starken Fokus auf dem Dressurreiten im vergangenen Jahr werden
diesmal neue Facetten der equestrischen Künste präsentiert. Dafür
stehen zunächst Adrian Donnert und Neyenne Frank mit ihrem
exzellenten Pas de Deux zu Pferd. Es gipfelt im freien Stand der
Akrobatin auf dem Kopf ihres Partners. Jubel, Pfiffe und der bis
dahin stärkste Applaus des Nachmittags sind der Lohn. Für
asiatisches Flair sorgt das Duo Yingling. Die beiden Artistinnen
jonglieren mit Händen und Füßen jeweils bis zu fünf Schirme. Vier
Pferde in unterschiedlichen Fellfarben bringt Elmar Kretz für eine
moderne, sanfte, außergewöhnliche Freiheitsdressur in die Manege.
Eine Arbeit, bei der er nicht in der Mitte der Manege steht und die
Pferde von dort aus dirigiert. Nein, in dieser Variante läuft er mit
den Vierbeinern, die ihm aufs Wort folgen. So kommen die Nähe und
das Vertrauen zwischen Tier und Trainer in besonderer Weise zum
Ausdruck. Beim Schlussapplaus deutet Kretz auf seine Tiere – der
Beifall soll ihnen gelten.
Vera Munderloh und Stefanie Seebauer, Neyenne Frank, Anja Beran und
Nicole Ciroth
Teil zwei der Vorstellung eröffnet Anja Beran mit ihrer vorzüglich
gerittenen Hohe Schule, begleitet von Tänzerin Nicole Ciroth. Das
Pferd mit seiner Reiterin und die Solistin tanzen zur Musik aus
„Schwanensee“ gemeinsam durchs Sägemehl, bilden eine Einheit.
Hochklassig und elegant zelebriert Neyenne Frank ihre
Kautschukarbeit. Als sie, im Handstand balancierend, einen Hut mit
den Füßen auf ihren Kopf setzt, ist ihr ein Szenenapplaus sicher.
Seine besondere Klasse als Tierlehrer demonstriert Elmar Kretz, wenn
er einen seiner Hengste die selten gezeigte Kapriole springen lässt.
Und hochklassig ist auch die Doppelte Hohe Schule, bei der Stefanie
Seebauer in üblicher Weise und Vera Munderloh im besonders
anspruchsvollen Damensattel reitet.
Truppe Donnert, Elmar Kretz, Duo Yingling
Wunderbare Bilder des traditionellen
Circus mit Pferden bringt die Truppe Donnert in die Manege. Bei
ihrer Jockeyreiterei beeindrucken besonders die diversen Salti, die
auch von Pferd zu Pferd ausgeführt werden. Großen Applaus erntet im
Anschluss ebenso das Duo Yingling mit seiner dritten und stärksten
Darbietung, der Kombination von Tücher-Antipoden und
Partnerakrobatik. Die zweite Hälfte der Vorstellung beschließt wie
die erste der Direktor selbst. Elmar Kretz lässt zunächst drei
seiner Araberhengste flechten, ehe die Gruppe zum Sechserzug
erweitert wird. Er zelebriert eine temperamentvolle
Freiheitsdressur, bei der das Publikum zeitweise rhythmisch
mitklatscht. Mit diversen fulminanten Steigern findet sie ihren
Abschluss. |