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Waterland Circus - Tour 2025
https://waterlandcircus.de ; 107 Showfotos

Frankfurt am Main, 10. Oktober 2025: Ich hatte zuvor noch nie einen Circus aus der Ukraine gesehen. Die Show des Waterland Circus jedoch traf meine diesbezüglichen Vorstellungen beim Besuch der Premiere in Frankfurt am Main ziemlich genau. Zumeist starke Artistik, große Bilder mit dem gesamten Ensemble, originelle Choreographien, farbenfrohe Kostüme und diskolastige Musik. Das Ganze verpackt in die angekündigte Wassershow. Dass das Unternehmen Teil des Ukrainischen Staatscircus ist, erfahren die Besucher erst beim Finale.

Davor und in der Werbung wird dies nicht kommuniziert. Man wolle bei den (potentiellen) Besuchern keine Assoziationen mit dem Krieg in der Heimat wecken, erzählt Direktor Dmytro Trunov im Gespräch. Dieser Krieg ist andererseits auch der Grund für die Tournee in den westlich der Ukraine gelegenen Ländern. Als dieser 2022 begann, wurde der Entschluss gefasst und umgesetzt sowie in Polen die zugehörige Gesellschaft angemeldet.


Waterland Circus in Frankfurt am Main

Die Artisten, für diese Produktion sind es 27, sind staatliche Künstler der Ukraine. Über den Jahreswechsel 2023/24 wurde in München das erste Gastspiel in Deutschland gegeben. Nach weiteren Tourneestationen gab es 2025 eine komplette Spielzeit in der Bundesrepublik. Im kommenden Winter sind gleich zwei Weihnachtscircusse geplant. In München sowie Augsburg. Dafür stehen ein weiteres Ensemble sowie das zugehörige Material zur Verfügung. Die zweite Einheit wird danach unter anderem in Litauen, Estland und Finnland zu sehen sein.


Blick ins Chapiteau

Auf dem Ratsweg in der Mainmetropole ist das bislang genutzte rot-weiße Chapiteau aufgebaut. Drumherum steht der umfangreiche Wagenpark. Die Kasse ist in den Einlasswagen integriert. Ein großer Tintenfisch thront auf dem Vorzelt mit der Restauration. Auf verschiedenen Transparenten im Eingangsbereich finden sich Werbemotive. Im Spielzelt gibt es ein Gradin mit neun Reihen. Die ersten beiden haben gepolsterte Schalensitze, die weiteren bestehen aus Bänken mit Rückenlehnen. Statt einer Manege gibt es ein großes Wasserbassin, das schon zu Beginn der Vorstellung komplett gefüllt ist. An der Außenwand sind LED-Tafeln angebracht, auf denen verschiedene Grafiken gezeigt werden. In der Mitte steht eine Rundbühne, das hintere Drittel des Bassins ist oben ebenfalls einen festen Boden versehen. An der Innenseite der äußeren Begrenzung der Wassermanege befinden sich Düsen für Fontänen, ebenfalls rund um den vorderen Bereich der Mittelbühne. Zudem kann aus der Kuppel ein runder Wasservorhang erzeugt werden. Beste Voraussetzungen für ein Show, die im, auf sowie über dem Wasser stattfindet.


Eröffnungsszene mit Piraten und Reckakrobatik, Clown Buba

Nach dem ersten Tanz der Fontänen begrüßen uns die Mitwirkenden standesgemäß in Piraten- und Matrosenkostümen. Nach einer energiegeladenen Choreographie begeben sich zwei der Seeräuber an die beiden hintereinander aufgebauten Reckstangen. Viktor Boboshko und Yaroslav Handei zeigen daran kraftvolle Umschwünge und Sprünge. Die starke Akrobatik wird von einem Ballett im Wasser umrahmt. Dazu tanzen die Protagonisten im angewärmten Nass stehend zwischen Fontänen. Diese plätschern nahezu den ganzen Abend. Auf das dauerhafte „Grundrauschen“ hätten wir durchaus verzichten können. Auch die durchgehend an Diskorhythmen erinnernde Musikbegleitung trifft nicht ganz unseren Geschmack und nervt irgendwann einfach. Andererseits vermittelt sie uns wohl ein authentisches Erlebnis. Vermutlich ist genau das der Stil beim Ukrainischen Staatscircus. Dann dürfen wir das erste Mal mit Clown Buba Bekanntschaft machen. Oleg Liostaev, so sein bürgerlicher Name, begleitet uns durch die Show. Zunächst heizt er die Stimmung an, indem er die Besucher auf den verschiedenen Bereichen des Gradins zum Klatschen animiert. Dabei kommt auch eine Pfeife zum Einsatz, ebenfalls mit eine gewissen Nervfaktor. Mit einem Zuschauer misst er sich im Limbotanz. Der Gast muss am Ende vermeintlich mit verbundenen Augen unter der Stange hindurchlaufen. Diese ist natürlich längst verschwunden, ebenso wie der Clown und die beiden Herren, die sie gehalten haben. Die bekannte Mitmachnummer gewinnt hier zusätzlich an Reiz da der Herr droht, ins Wasser zu fallen, was natürlich nicht passiert.


Alieva Vladyslava, Maxim Stetsenko, Luftakrobatik

Das Hochseil für den Auftritt von Alieva Vladyslava und Oleksandr Khorolskyi ist bereits zu Beginn der Vorstellung aufgebaut. „Dancing over the water“ nennt sich ihre interessant aufgebaute Kür. Er gibt den klassischen Hochseilartisten mit Balancierstange, sie die Tänzerin auf dem Seil. Sie zeigt etwa einen Spagat in luftiger Höhe, er läuft mit verbundenen Augen über den Draht. Dabei verliert er in der Premierenvorstellung die Stange, welche ins Wasser fällt. Damit ist die Darbietung zumindest an diesem Abend zu Ende. Mit der wundersamen Vermehrung von Flaschen, die unter Röhren verschwinden und erscheinen, leitet Clown Buba über zur nächsten Darbietung. Deren Hauptperson ist Maxim Stetsenko. Seine kraftvolle Arbeit an den Strapaten wird von Tänzerinnen und Tänzern auf der Bühne begleitet, die bald ins Wasser wechseln. Dann kommen weitere Ensemblemitglieder hinzu, deren Kostüme mit weißen Flügeln versehen sind. Passend zu den raumgreifenden Flügen und kraftvollen Umschwüngen von Maxim Stetsenko, die durch die immer höher steigenden Fontänen zusätzlich an Wirkung gewinnen. Vier Herren jonglieren zunächst mit Pyramiden, dann mit Würfeln, die aus Metallgestängen gebildet werden. Ebenfalls aus Metall sind die Kugeln, an denen mehrere Artistinnen Luftakrobatik zelebrieren. Dabei kommt der Wasservorhang zum Einsatz. Auf der Bühne gibt es eine Modenschau in türkis. Markant sind dabei die großen Hüte der Modells mit langen Ketten daran.


Tatiana Kulikova und Yaroslav Handei, Feuershow, Roue Cyr

Noch einmal animiert Clown Buba das Publikum zum Mitmachen. Jetzt mithilfe einer großen Trommel. Yaroslav Handei hat seinen zweiten Einsatz zusammen mit Tatiana Kulikova. Am Mast arbeiten sie die Nummer „Magic Corals“. Dabei gibt es sowohl von einer Person als auch gemeinsam gearbeitete Tricks. Bei letzteren übernimmt auch Tatiana gerne einmal den tragenden Part. Für die große Feuershow vor der Pause werden alle Register gezogen. Stäbe und Schnüre mit lodernden Flammen werden geschwungen. Die Tänzerinnen und Tänzer im Wasser tragen Kopfschmuck mit Flammen an langen Stäben. Eindrucksvoll auch eine große Feuerkugel, die an einer Schnur durch die Luft fliegt. Dazu tanzen die Fontänen. Mit diesem Kampf der Elemente endet der erste Teil. Der zweite beginnt mit Sprüngen von einer großen Schaukel, die in einem vertikal gespannten Netz landen. Unmittelbar beteiligt sind vier Artisten, die das Requisit in Schwung halten und die weiten Sätze ausführen. Hinzu kommen Mitglieder das Balletts. Es folgt der originellste Auftritt von Clown Buba. Mit einem Zuschauer misst er sich darin, immer mehr Zigarrenkistchen zwischen zwei Händen zu stapeln. Der Gast zeigt dabei große Kreativität, was für zusätzliche Lacher sorgt. Am Ende hat der Spaßmacher sein Solo und beweist dabei artistisches Geschick. Zum Träumen lädt ein Duo am Roue Cyr ein. Wobei der männliche Part Artistik mit dem Rad zeigt und sie mit den Füßen auf dem Boden bleibt. Gemeinsam wagen sie einen akrobatischen Tanz.


Anastasia und Andrii Fridman, Rhythms of Africa

Ein großer Oktopus und Tänzerinnen eröffnen das Schaubild „Sweet-voiced Sirens“. Zum Ballet auf der Bühne sowie im Wasser kommen Alieva Vladyslava und Veronika Masliei. Sie steuern an in der Luft hängenden Netzen den artistische Part bei. Insbesondere ihre Rotationen in verschiedenen Varianten sorgen dank der spritzenden Topfen für schöne Effekte. Dabei wird der Wasservorhang eingesetzt. Wasser dürfte auch in den Seifenblasen enthalten sein, mit denen Anastasia und Andrii Fridman faszinierende Kunstwerke zaubern. Die genau Mischung bleibt natürlich ihr Geheimnis. In farbenfrohen Outfits lassen sie ganz viele kleine oder wenige große der vergänglichen Gebilde entstehen. Dies in immer wieder neuen Konstellationen. Andrii lässt sich sogar von Anastasia komplett von einer Röhre aus Lauge umhüllen. Noch nie gesehen haben wir das Kunststück, bei dem sie in beiden Händen einen kleinen Berg aus Schaum hält, der angezündet wird und aus dem so in den Handinnenflächen brennende Flammen entstehen. Begleitet wird diese Darbietung vom Ballett mit Flügeln sowie in der Luft schwebenden Nixen. „Rhythms of Africa“ lautet der Titel der Schlussnummer. Als Requisit dient ein großes Trampolin. Dieses wird mit dem Artisteneingang verbunden, der als „Haus“ zum Abspringen und Landen der Salti dient. Es gibt jede Menge Action, Trommeln begleiten das Geschehen ebenso wie das Ballett in farbenfrohen afrikanischen Kostümen. Die Fontänen sprühen und ein riesiger Affe ergänzt die Szenerie. Direkt daran schließt sich das Finale mit allen Mitwirkenden an. Ganz so, wie die gesamte Vorstellung sehr flott abläuft. Zwei Artisten schwenken blau-gelbe Fahnen und per Ansage aus dem Off werden wir nicht nur verabschiedet, sondern es wird ebenfalls auf die ukrainische Herkunft des Circus hingewiesen.

Der Besuch im Waterland Circus ist für eingefleischte Circusfans ganz sicher eine Horizonterweiterung. Die Vorstellung ist nicht an hiesige Gewohnheiten angepasst. Sie bringt uns ungefiltert die Circustradition der Ukraine nahe. Zumindest ist das unsere Vermutung. Es bleibt die Hoffnung, dass wir uns in absehbarer Zeit selbst vor Ort ein eigenes Bild davon machen können. In hoffentlich sehr bald wieder friedlichen Zeiten.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch