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Längst zeigt sich, dass die
Sorgen unbegründet waren. Pedros Tochter Nicole, ihr Ehemann
Petro und ihre Mutter Beatrice führen den Circus Harlekin in
seinem Sinne weiter. Und dies mit großem Erfolg. Einige
traditionell schwächere Gastspiele wurden gestrichen, der
Verlauf der Tourneeroute – vorwiegend durchs Berner Oberland und
das Wallis – optimiert. Nicole Pichler beweist auch in der
dritten Saison unter ihrer Leitung ein hervorragendes Händchen
dafür, weiterhin interessante, qualitative und stimmungsvolle
Programme mit viel Humor und Musikalität zusammenzustellen. Und
so reisen wir diesmal im Vertrauen darauf an diesen Ort, dass
der „Harlekin“ mit seinem schmucken, blau-weißen Zelt noch viele
Jahre hochwertigen Circus auch in kleine und kleinste Schweizer
Städte und Dörfer bringen wird.
  
Orlandito Gomez, Apple
Girma, Mr. Jumping
In den vergangenen beiden Saisons
hat hier der Franzose Thomy Leglise alias Clown Mister Tomito
für Heiterkeit gesorgt. Im Barwagen belegt sein Foto, neben
denen von Pedro als Clown in der Harlekin-Manege, welch große
Stücke die Direktion auf ihn hält. Dennoch wurde für 2025 ein
neuer Spaßmacher gefunden: der Peruaner Orlandito Gomez, der
davor lange mit US-amerikanische Circussen auf Tournee war. Er
spielt ein Kind, das sich im Opening zum Schlafen in sein
Gitterbett legt, mit einem Plüsch-Clown in den Armen. Nicole
Pichler und die äthiopische Artistin Apple Girma versuchen, ihn
zu wecken – doch er schlummert weiter und wird im Traum zum
Clown, tauscht das Nachthemd gegen einen schwarzen Anzug mit
roter Weste sowie eine rote Clownsnase. Und so beginnt die
Vorstellung mit Apple Girmas Luftakrobatik an Seidentüchern.
Tuch und Kostüm sind farblich aufeinander abgestimmt. Den Spagat
zwischen den Stoffbahnen, ansprechende Posen und wagemutige
Abfaller demonstriert die junge Frau mit einem strahlenden
Lächeln. Orlandito stellt in seiner ersten Reprise seine
Geschicklichkeit unter Beweis. Zunächst mit einem
wassergefüllten Glas, das in einem Dreieck aus Holz steht,
welches er an einer langen Schnur kreisen lässt. Dann mit Eiern,
die er nicht nur zum Jonglieren nutzt. Seine Szenen mögen mehr
zum Schmunzeln denn zum Schenkelklopfen einladen. Doch ein Profi
ist er in jedem Fall. Die Rolle des Kindes spielt er
überzeugend; Mimik und Gestik beeindrucken. Geradezu ein
Klassiker zirzensischen Humors ist die komische Trampolinnummer
mit Sprungturm. Mr. Jumping zeigt fast alles, was zu diesem
Genre gehört, vom Striptease und diversen Pannen bis hin zu dem
ein oder anderen akrobatischen Trick wie dem abschließenden
Doppelsalto. Nur auf die vermeintliche „Trunkenheit am
Trampolin“ wird hier wohl aus Gründen der Familienfreundlichkeit
verzichtet. So oder so trifft sein Auftritt voll den Nerv des
Publikums und kommt im kompakten Harlekin-Chapiteau besonders
gut rüber.
 
Duo Nazu, Nicole Pichler
Traditionell pflegt der Circus
Harlekin gute Beziehungen mit Äthiopien und hat auch in dieser
Saison mehrere Artisten aus dem ostafrikanischen Land im
Programm. Außer der bereits erwähnten Apple Girma wurde auch das
Duo Nazu gebucht. In ihrem ersten Auftritt widmen sich
Untermann Mohammed und Flieger Fasil den ikarischen Spielen.
Dies in klassischer Aufmachung mit schwarzer Hose, weißem Hemd,
Hosenträgern und Fliege. Zum Repertoire gehören beispielsweise
Pirouetten und Kreiseldrehungen in liegender Position, zweimal
eine Serie von Überschlägen – erst im Scheinsturz, dann
Fuß-auf-Fuß geendet – und schließlich eine Abfolge von 15
Überschlägen. Der Doppelsalto als traditioneller Spitzentrick
des Genres ist nicht dabei. Clown Orlandito holt eine Dame und
einen Herren aus dem Publikum für eine originelle Variante der
Filmszene in die Manege. Er erhält zunächst ein Sakko, sie Kleid
und Perücke. Als der Mitspieler seine Sache nicht „gut genug“
macht, werden flugs die Kostümierung und damit die
Geschlechterrollen getauscht. Eine weitere Tradition im Circus
Harlekin betrifft das Engagemen von Tiernummern des
schwedischen Cirkus Olympia, die Nicole Pichler – nach Training
vor Ort in Skandinavien – dann auf sympathische Weise im eigenen
Unternehmen vorführt. Erstmals hier zu bewundern ist eine Gruppe
schwarz-weißer Tinkerpferde. Auch wenn bei unserem Besuch
ausgerechnet das Führpferd pausieren muss, gelingt eine
ansprechende Trickfolge mit Gegenlauf und Pirouetten.
  
Duo Kotenyov, Orlandito,
Truppe Demian
Auch ist dem Circus Harlekin in
den vergangenen Jahren immer wieder gelungen, herausragende
Newcomer zu engagieren, die später große Karriere gemacht
haben. So wird es auch mit dem Duo Kotenyov sein, das beim
Besuch von Vizepräsident Urs Pilz im Circus Harlekin den Vertrag
für die Teilnahme am Internationalen Circusfestival von Monte
Carlo unterzeichnen durfte. Nachdem Ilya Kotenyov zuvor mit
männlichen Partnern am Schleuderbrett und an den Strapaten
arbeitete, zeigt er nun mit seiner Ehefrau Regina Eberts eine
Zopf- und Zahnhang-Nummer der Spitzenklasse. Mal schweben beide
an ihren Haaren und absolvieren gemeinsam Figuren in der Luft,
mal hängt sie an ihrem Schopf und er darunter im Zahnhang an
einer Schlaufe, die an ihrem rechten Fuß befestigt ist. Es
folgen ein doppelter Zahnhang – nun mit ihm in der tragenden
Rolle – sowie das Ausdrehen der Partnerin in einem rasanten
Wirbel im Zopfhang. In seiner nächsten Reprise erfährt Orlandito,
dass das Musizieren in der Harlekin-Manege verboten ist. Nachdem
er im weiten Strahl spritzende „Tränen“ weint, bekommt er seine
Trompete zurück. Mit Power-Musik, starken Tricks und offensivem
Auftreten heizen die vier Jungs der Truppe Demian die Stimmung
kräftig an. In schlichten, coolen Outfits mit Jeans und weißen
T-Shirts rotieren sie um zwei hintereinander angeordnete
Reckstangen oder fliegen von Stange zu Stange. Im Zusammenspiel
mit den die Manege fegenden Requisiteuren leitet Orlandito die
Pause ein.
  
Duo Nazu, Duo Kotenyov,
Orlandito
Hälfte zwei eröffnen die beiden
Herren des Duos Nazu mit ihren Keulenjonglagen. Rücken an Rücken
stehend halten sie gemeinsam sieben Stück, bei Passings in
klassischer Gegenüberstellung gar acht Keulen in der Luft. Auch
im zweiten Teil ist das Duo Kotenyov mit einer attraktiven
Luftnummer vertreten. Diesmal werden anspruchsvolle Tricks am
Flying Pole präsentiert – die meiste Zeit gemeinsam, aber auch
im Solo. „Die with a smile“ liefert die stimmungsvolle
musikalische Begleitung, live gespielt vom sechsköpfigen
Orchester, das viel zum Gelingen und zum Flair der Vorstellung
beiträgt. Am Ende dreht sich die Dame rasant in einem
Handwirbel. Attraktiv ist auch das Ehepaar selbst, sowohl die
Dame als auch der muskulöse Herr, dessen kunstvolle Tattoos auf
dem Oberkörper ein geschlossenes Hemd ersetzen können. In seiner
originellsten Szene gefällt Orlandito als Magier. Gemeinsam mit
einem Mädchen aus dem Publikum macht er sich daran, einen Hasen
in eine leere Glasbox zu hexen. Nachdem dies anfangs nicht
gelingen mag, werden immer größere Zauberstäbe herbeigebracht.
Mit einem Exemplar von wahrhaft riesigem Ausmaß gelingt die
Übung schließlich.
  
Apple Girma, Truppe Demian,
Finale
Für die zweite Dressurnummer im
Programm sorgt Fatima mit ihren Katzen. Die Tiere balancieren
über eine schmale Stange oder hangeln sich daran entlang,
umkreisen den Kopf der Tierlehrerin auf deren Schultern oder
glänzen bei weiten Sprüngen von Podest zu Podest. Aus großer
Höhe springt schließlich einer der Stubentiger in die Arme der
Tierlehrerin, die von ihrem Partner („Mr. Jumping) unterstützt
wird. Noch einmal erleben wir Apple Girma, nunmehr in ihrer
Hauptnummer als Kontorsionistin. Zu einem ruhigen Popsong arbeitet sie im weißen
Outfit auf einem runden Tisch auch schwierige Figuren mit einem
Lächeln. Beim Mundstand am Ende benötigt sie noch eine Stütze
unter den Schultern. Mit einer letzten Reprise, nunmehr als Basketballer im Zusammenspiel mit dem Publikum, leitet Orlandito
zur Schlussnummer über. Diese bietet ein weiteres akrobatisches
Highlight, denn die vier Artisten der Truppe Demian starten zu
spektakulären Höhenflügen von der Russischen Schaukel. Im ersten
Teil der Nummer überqueren sie im Flug ein eindrucksvolles
Hochreck oder fangen sich daran zwischendurch für weitere
Drehungen, ehe sie auf der Bodenmatte landen. Dann wird das Reck
abgebaut und es folgen waghalsige Salti, Pirouetten und
Sprungkombinationen direkt zur Matte. Bevor Orlandito wieder in
seinem Gitterbett schläft, nunmehr im Clownskostüm statt im
Nachthemd, lässt sich das Ensemble nochmal im Finale feiern. |