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2025 feiert der
nach ihm benannte Richter Flórián Cirkusz sein zehnjähriges
Bestehen. Während des größten Teils der Reisesaison spielen die
beiden „Richter-Circusse“ weit voneinander entfernt: Der
Ungarische Nationalcircus ist im Frühjahr stets im Osten des
Landes unterwegs, nicht weit von der Ukraine, und bespielt dann
im Herbst Städte im Westen, nahe Österreich. Der Richter Flórián
Cirkusz macht es genau umgekehrt. Am ersten Oktoberwochenende
beispielsweise trennt beide Unternehmen mit Gastspielen in
Szombathely und Békéscsaba eine 400-Kilometer-Fahrt durch ganz
Ungarn. Völlig anders sieht es während der Sommermonate Juli und
August aus. Da stehen beide Circusse am Ufer des Plattensees,
der mit Abstand beliebtesten Urlaubsregion Ungarns. Keine 30
Minuten sind nötig, um vom Chapiteau des Ungarischen
Nationalcircus („Magyar Nemzeti Cirkusz“) in Balatonlelle zum
Richter Flórián Cirkusz in Zámardi zu gelangen. Beste
Voraussetzungen, um beide Programme zu sehen und dies mit einem
Badeaufenthalt in der schönen, sonnenverwöhnten Balaton-Region
zu verbinden.

Beim Sommergastspiel in
Zámardi spielt der Richter Flórián Cirkusz auf eigenem Grund und
Boden
Seit unserem letzten Besuch an
diesem Ort ist der Richter Flórián Cirkusz umgezogen und besitzt
nun ein eigenes Grundstück an der Landesstraße M 7, nicht weit
von Ungarns größtem Touristenort Siófok. Das Gelände bietet
genügend Platz für den Circus mit seinem weißen
Sechs-Masten-Chapiteau, einem Vorzelt und dem
Kassen-Durchgangswagen mit seinen schönen Motiven sowie den
gesamten Fuhrpark. Zudem stehen reichlich Parkflächen zur
Verfügung. Ein wenig kühl wirkt die Atmosphäre im Inneren, denn
die Tribüne gruppiert sich in U-Form um die runde Manege, was in
dem riesigen Zelt eine gewisse Distanz schafft. Eine halbrunde
Konstruktion aus Metalltraversen mit rotem Stoff schließt den
Raum nach hinten ab.
 
Kevin-Richter-Truppe,
Flórián Richter
Somit ist es zunächst die Aufgabe
von Clown Davis Vassallo, den Kontakt zum Publikum herzustellen.
Dies gelingt ihm mit einem Klatschspiel. Nach einem längeren
Engagement beim renommierten Revuetheater Royal Palace im Elsass
ist die Truppe von Juniorchef Kevin Richter zurückgekehrt.
Rock-Klassiker schmettern aus den Boxen, wenn sieben Jungs der
Truppe – hier noch ohne ihren Namensgeber – mit vollem Tempo und
zahlreichen Salti und Überschlägen übers Fasttrack fegen. Im
zweiten Teil der Nummer kommt zudem eine Russische Schaukel zum
Einsatz, so dass sich die Flugbahnen übers Trampolin und in der
Luft kreuzen. Auch der vollständige Überschlag mit der Schaukel
wird gezeigt. Viel Schwung und Temperament kennzeichnen auch die
Art und Weise, in der Direktor Flórián Richter seine
Freiheitsdressuren präsentiert. Acht Schimmel, vier schwarze
Pferde und ein geschecktes vereint er in der Manege. Der
Virtuose leitet sie zu anspruchsvollen, temporeichen Lauffiguren
an, insbesondere mit imposanten Gegenläufen in unterschiedlichen
Varianten, bis hin zum Karussell auf drei Bahnen plus dem
Schecken, der in der Manegenmitte seine Kreise zieht. Feurige
Steiger in der Sechsergruppe wie auch von einzelnen Tieren
dürfen nicht fehlen.
  
Giordan Alessandrini, Réka
Lantos, Davis Vassallo
Um einen imaginären Ball in einer
Tüte dreht sich das heitere Zwischenspiel von Davis Vasallo, mit
dem er zur Handstandakrobatik von Giordan Alessandrini
überleitet. Der junge Mann ist eine Neuentdeckung für uns. Zu
rasanter Musik arbeitet er auf einem Podium mit Treppe.
Ungeheuer eindrucksvoll ist insbesondere, wie er im einarmigen
Handstand auf einer Krücke die Stufen des Requisits
hinaufspringt und dabei auch noch einen Reifen um den freien Arm
kreisen lässt. Réka Lantos war uns bisher vor allem von ihren
Engagements beim Circus Louis Knie im Nachbarland Österreich
bekannt. Die hübsche Artistin zelebriert am drehbar aufgehängten
Trapez kraftvoll und ausdrucksstark ihre Posen, vergisst dabei
aber niemals das strahlende Lächeln. Jede ihrer Bewegungen ist
genau auf die musikalische Begleitung durch Michael Bublés "I'm
feeling good" abgestimmt. Für Davis Vassallo war 2018 das
Engagement beim Circus Florian Richter das erste in Europa nach
seiner Rückkehr in den USA. Nun ist er hier zum zweiten Mal zu
Gast. Erneut wird deutlich, dass er nicht nur ein sympathischer
Komiker, sondern auch ein guter Artist ist. Dies beweist er auf
dem Sprungseil mit Vorwärts- und Rückwärtssalti, die jeweils in
sitzender Position gelandet werden. Dabei wird eine nette
Geschichte erzählt, wie er von der charmanten Ashley Vargas –
seiner langjährigen Lebensgefährtin – auf das Requisit gelockt
wird. Dies gelingt, auch wenn die angebotene Leiter gleich in
Stücke fällt. Erneut temporeich geht es bei der Ungarischen Post
zu, die von Direktionstochter Angelina Richter geritten wird und
im Januar 2026 zu den Höhepunkten beim Internationalen
Circusfestival von Monte Carlo gehören soll. 17 Vorauspferde in
vier Gruppen galoppieren letztendlich in vollem Tempo durch die
Manege, hinter ihnen die jugendlich-elegante Reiterin auf den
Rössern 18 und 19. Dabei nimmt sie die Bänder von den Rücken der
Tiere auf und formt so ein imaginäres Gespann. Ihr Vater Flórián
ordnet das Geschehen in der Mitte des roten Rings. Damit geht es
in die Pause.
  
Alexander junior, Suellen Sforzi, Réka
Lantos
Bei der Handstandnummer von
Alexander junior wecken Requisit, Kostüm und Trickfolge
Erinnerungen an die legendäre Darbietung von Encho Keryazov.
Auch Alexanders Version ist stark. Nicht fehlen darf der
Klötzchen-Abfaller mit einer großen Zahl dieser „Bausteine“. Zum
Abschluss geht es auf einer elektrisch weit aus- und
einfahrenden Stange im einarmigen Handstand in die Höhe und
wieder hinunter. Nochmals erleben wir Réka Lantos, nun mit einer
Luftnummer, die aus Figuren im ausdauernden Zahnhang besteht.
Dies kombiniert sie beispielsweise mit Wirbeln und
kontorsionistischen Figuren. Mit Schwamm, Sprühflasche und
Fensterabzieher reinigt Davis Vassallo die Glasscheibe vor der
Loge. Da diese nur imaginär ist, bekommen die Gästen in den
ersten Reihen einige Tropfen ab. Natürlich nimmt es dem
freundlichen Spaßmacher keiner übel. Die bekannte
Kontorsionistin Suellen Sforzi nimmt nicht nur eine Rose vom
Boden auf, sondern auch Brille und Hut. Geschickt setzt sie
beides mit den Füßen auf. Neu für uns ist der erweiterte
Schlusstrick: Beim mit den Füßen ausgelösten Bogenschuss zielt
sie nicht mehr nur auf einen, sondern jetzt auf drei
hintereinander angeordnete Luftballons. Der brennende Pfeil
landet auf der Zielscheibe und löst damit auch noch eine
Stichflamme aus!
  
Davis Vassallo,
Kevin-Richter-Truppe, Diorios
Mit vielen Gags gespickt ist die
große Orchesterszene, zu der Davis Vassallo fünf Herren aus dem
Publikum benötigt. Einer hat seine liebe Not mit dem Gong, der
bei der ersten Berührung mit dem Schlägel sofort umfällt, ein
anderer muss immer mehr „Instrumente“ an Kopf, Armen, Bauch und
Beinen gleichzeitig bedienen. Immer wieder wird Assistentin
Ashley gerufen, um neue zu bringen. Eines haben Mitwirkende und
Publikum gemeinsam: die sicht- und hörbare Freude an der Sache.
Für einen Höhepunkt des Programms sorgt die Schleuderbrettnummer
der Kevin-Richter-Truppe, nunmehr durch ihren Chef und
Namensgeber sowie durch "Gaststar" Alexander junior zur
Neunergruppe erweitert. In eleganten weißen Kostümen mit
dekorativem Muster in Blautönen wird hier beispielsweise in
einen Sessel gesprungen oder wird nach gewaltig hohen Sprüngen
mit Salti auf einer dicken Matte gelandet. Höhepunkt ist der
Flug zum Fünf-Personen-Hoch mit Perchestange, die der Untermann
in einem Beckengurt trägt. Zur anschließenden Finalnummer wird
im Grunde alles gezeigt, was mit einer Motorradkugel in
Kombination mit Motorradspringern an Effekten möglich ist. Denn
erstens dreht hier auch eine Frau ihre Runden in der Kugel,
zweitens öffnet sich diese während der Fahrt der Hasardeure und
drittens wird die Kugel auch genau in dem Moment übersprungen,
als sich deren zwei Hälften komplett auseinander bewegt haben.
Da stört es auch nicht, dass die Diorios nur als Quartett
angereist sind, mit drei Fahrern und einem Springer. |