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Cirque Bouffon - Tour 2025
www.cirque-bouffon.com ; 115 Showfotos

Mainz-Kastel, 20. September 2025: Die Elemente eines Karussells werden lebendig, leben ihre Eigenständigkeit aus und gruppieren sich letztendlich in ihre Ausgangsposition. Damit ist die aktuelle Produktion des Cirque Bouffon ganzheitlich beschrieben. Aber das wäre so, als würde man das Schloss Versailles als Gebäude oder das Menü eines Sternekochs als Mahlzeit bezeichnen. Denn „Carrousel“, so der Titel, ist enorm kreativ erdacht und umgesetzt. Die Story sprüht vor Ideen, alles ist bis ins kleinste Detail ausgetüftelt. Gespielt wird die Show von einem jungen, sympathischen und motivierten Ensemble. Die Musik passt ebenso perfekt wie das Ambiente. Das Erlebnis ist ein ganzheitliches.

Die Vorstellung wirkt in Summe, nimmt den Zuschauer vollends für sich gefangen, bewegt ihn. Keine leichte Aufgabe also, sie zu würdigen. Starten wir bei den Machern. Frédéric Zipperlin ist der Direktor des Cirque Bouffon, der 2025 seit 20 Jahren besteht. Auf der Rückseite des Programmhefts wird das Unternehmen als „internationales Show-Format im Stile des französischen Nouveau Cirque“ charakterisiert. Für „Carrousel“ verantwortet Frédéric Zipperlin die Idee, Kreation sowie Regie. Co-Direktorin ist seine Ehefrau Anja Krips, die wir in der Rolle der Circusdirektorin auf der Bühne erleben. Zudem führt sie in Köln einen Feinkostladen mit Restaurant namens „Le Bouffon“. Co-Regie sowie Dramaturgie der aktuellen Produktion liegen bei Helena Bittencourt und Goos Meeuwsen. Die Musik hat Sergej Sweschinski komponiert.


Cirque Bouffon in Mainz-Kastel

Gespielt wird in einem weißen Chapiteau mit roten Applikationen, das von vier Masten getragen wird. An diesem wunderbaren Sommerabend am Rheinufer in Mainz-Kastel lädt der Loungebereich davor zum Verweilen. Am Barwagen gibt es Erfrischungen und kleine Köstlichkeiten zu Essen. Der Vorplatz sowie der vordere Bereich des Spielzelts sind mit nostalgischen Gegenständen liebevoll dekoriert. Den Einlass macht Frédéric Zipperlin höchstpersönlich. Da die Vorstellung nicht ausverkauft ist, platziert er die Gäste recht frei. Um die erhöhte Rundbühne finden sich drei Reihen mit Stühlen, dazu gibt es vier Gradins mit jeweils fünf gepolsterten Bankreihen. Die vier Zwischenräume werden später als Eingänge für die Artisten genutzt. Damit ist für ein intimes Erleben gesorgt.


Das „Carrousel“ im Chapiteau

Die Spielfläche ist komplett von einem prächtigen nostalgischen Karussell ausgefüllt. Die roten und weißen Stoffbahnen ringsum verhüllen noch die Sicht auf das Fahrgeschäft. Die Bühne ist drehbar, was hier nicht elektrisch funktioniert, sondern mit der Muskelkraft der Akteure. Den Auftakt machen drei Frauen. Nastja Schkinder sorgt in einem der Eingänge mit einer Spieluhr für die musikalische Begleitung. Frau Direktor, Anja Krips, begrüßt uns in edler Robe und Clownin Noémie Pichereau wagt in der Rolle der Putzfrau neugierig erste Blicke hinter die Vorhänge des Karussells, bis am Ende alle geöffnet sind. Da steht ein Mann in Zwangsjacke, der diese erst viel später ausgezogen bekommt. Da gibt es eine lebendige Giraffe. Da posiert eine junge Frau neben einem Holzpferd. Letztendlich stellt sich hier das Ensemble auf höchst originelle Weise vor. Dessen Mitglieder begleiten uns ausdrucksstark durch die gesamte Show. In immer neuen, eigenständigen Szenen überraschen sie uns oder sie unterstützen einzelne Artisten bei ihren Soli. Die übergeordnete Geschichte wird durchgehend erzählt. Immer passiert etwas, nie gibt es Leerlauf und damit Langeweile. Das Karussell wird zunächst nach und nach ab- sowie gegen Ende wieder aufgebaut. Beneidenswert, welche Kreativität hier an den Tag gelegt wird. Der Spannungsbogen bricht nie ab.


Anja Knirps, Noémie Pichereau

Zwei Personen nehmen dabei ganz besondere Rollen ein. Anja Krips verkörpert die Circusdirektorin souverän. Sie spielt die Chefin der Compagnie, die ihre Artisten zusammenhält und dem Publikum das Spektakel präsentiert. Das tut sie sogar singend mit wunderbarer Stimme. In einigen Szenen ihre Gegenspielerin ist Noémie Pichereau. Die Clownin aus Frankreich mit dem langen, umhäkelten, hochstehenden Zopf gibt die Putzfrau. Eine, die weiß, wo es langgeht und das auch ihren Mitmenschen kommuniziert. Ihr Auftreten ist hinreißend. Sie beherrscht die leisen Töne genauso wie die lauten. Auch wenn sie ihrer Rolle entsprechend etwas ruppiger agiert, tut sie das immer äußerst liebevoll. Herrlich, wenn sie ein sich über die Bühne bewegendes Akkordeon dressiert. Oder wenn sie vor der Pause in einem nostalgischen Fluggerät über der Szenerie schwebt. Schlussendlich bekommt sie von der Direktorin ein Livree überreicht und wird so Teil der Circusgemeinschaft. Zusätzlich setzt sie sich selbst eine Krone auf. Diese gebührt Noémie Pichereau auch außerhalb der Handlung. Schlichtweg für ihr königliches Spiel.


Katell Boudrandi-Saj, Johanna Gorzellik, Henrike Lechler

Die Artisten haben ihre Ausbildung an verschiedenen renommierten Schulen erhalten. Zumeist an solchen, die neben dem rein akrobatischen Training auch Wert auf die darstellerischen Fähigkeiten legen. Den Auftakt macht Katell Boudrandi-Saj. Ihre Arbeit am Tanztrapez beginnt sie im Kostüm der Giraffe, die sie als Teil des Karussells verkörpert. Schnell legt sie den Tierkopf mit langem gescheckten Hals ab, um mit ihrer wunderschönen Kür unsere Blicke Richtung Kuppel zu lenken und uns träumen zu lassen. Johanna Gorzelliks Requisit hat gleich mehrere Handstäbe. Die studierte Psychologin aus Darmstadt bezieht sie alle in ihre außergewöhnliche Nummer mit ein. So erleben wir Standards der Handstandakrobatik genauso wie neuartige Figuren. Das alles in fließenden Bewegungen. Für ihre Darbietung am Flying Pole hat Henrike Lechler ein langes rotes Kleid als Kostüm gewählt. Das fliegt herrlich, wenn die Artistin damit in der Luft um die Stange rotiert. In den ruhigeren Sequenzen beweist sie große Körperbeherrschung und einen guten Schuss Wagemut.


Maik Ortmann, Stanislav Vysotskyi, Gab Douin

Dass aufgrund der Aufbauarbeiten das Drahtseil nach der Pause platziert ist, ist nicht ungewöhnlich. Bei Bouffon ist es aber so, dass ein guter Teil der Vorbereitungen vor Publikum stattfinden und somit Teil der Show sind. Dann aber kann Maik Ortmann über das Seil laufen. Das tut er auf seine ganz eigene Art, die schwer zu beschreiben ist. Ausdrucksstark nimmt er den gesamten Körper mit in jede federnde Bewegung. Eine intensive Arbeit, zu der unter anderem der Spagat auf dem Draht gehört. Ganz besonders sind auch die Jonglagen von Stanislav Vysotskyi. Nicht nur, weil er sich dabei auf Bälle beschränkt, sondern weil dabei auch seine Füße zum Einsatz kommen. Es ist faszinierend, den genialen Touren zuzusehen, die ein enormes Maß an Geschicklichkeit erfordern müssen. Auf einer rotierenden Scheibe noch einmal ihr rotes Kleid schweben lassen darf Henrike Lechler. Bei ihrer zweiten Nummer geht es für Johanna Gorzellik in die Luft. Dafür hat sie sich die Strapaten ausgesucht. Auch daran zeigt sie einen Auftritt, der aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Das gilt auch für die letzte Darbietung. Auf die Idee, dass Gab Douin am Roue Cyr arbeitet, wäre man von alleine wohl nie gekommen. Der sympathische Kanadier hat einen stattlichen Körper, tätowierte Arme und einen Vollbart. Die durchgängige Trickfolge geht weit über die Standards des Genres hinaus. Es steckt viel Kreativität und eben ein immenses Können darin.


Sergej Sweschinski, Nastja Schkinder, Jana Mishenina

Auf der Bühne nicht nur zu sehen, sondern ebenfalls zu hören, sind die Musiker. Das sind Akkordeonistin Nastja Schkinder, Violinistin Jana Mishenina und Kontrabassist Sergej Sweschinski. Das Trio interpretiert furios die Originalkompositionen von Sergej Sweschinski und beweist dabei viel Spielfreude. Die Instrumentalisten sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Produktion. Stimmungsvoll unterstützt das Lichtdesign die Show.

„Die Zeit entschleunigen, die Herzen berühren“, so lautet das Motto, das sich der Cirque Bouffon gegeben hat. Dieser Satz passt vortrefflich auch auf „Carrousel“. Man spürt es förmlich, während man dem Spektakel zuschaut. Es berührt, nimmt einen vollends gefangen und ist so unendlich liebevoll gemacht. Man verlässt das Chapiteau deutlich glücklicher, als man es betreten hat. Der einzige Wermutstropfen für mich: diese Show zum 20-jährigen Jubiläum war mein erster Besuch bei Bouffon. Ich habe offensichtlich viel verpasst. Die Vergangenheit kann man nicht zurückdrehen, wohl aber daraus für die Zukunft lernen. Ich werde definitiv wiederkommen. Nicht nur weil Frédéric Zipperlin und sein Team genialen (Nouveau) Cirque spielen, sondern auch, weil eine derartig große Portion Lebensfreude und Herzenswärme immer guttut.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch