Bereits
nach rund einem Monat ging man wieder getrennte Wege. Im
weiteren Verlauf der Saison reiste Trentini mit einem von
Dominik Gasser jun. („Der Circus“) gemieteten Zelt. Nun hat das
Chamäleon namens Medrano abermals sein Antlitz gewechselt und
leuchtet rot-orange: Dies sind die Farben des ersten eigenen,
fabrikneuen Chapiteaus des Hauses. Zu Beginn der Saison, auf dem
zweiten Gastspielplatz in Dübendorf, fehlt noch das zugehörige
Vorzelt, das erst einige Wochen später ergänzt wird. Also steht
auf dem Chilbiplatz der Restaurationswagen im Freien. Gleiches
gilt für die Kasse, die eine Vorgeschichte als Ticketverkauf
eines Kirmes-Fahrgeschäfts hat.
Circus
Medrano auf dem Chilbiplatz Dübendorf
Neu ist
auch die Sitzeinrichtung mit blauen Schalensitzen, auch wenn sie
in ihren Ausmaßen offenbar nicht ideal auf das Zelt abgestimmt
ist. In den beiden Logenreihen sind die Sitze gepolstert. Daran
schließt sich die sechsreihige Tribüne an. Blau sind ebenfalls
die Logenwände, die den Zuschauerraum von der Spielfläche
trennen. Eine Piste gibt es dagegen nicht, und auch kein
Sägemehl. Der Manegenteppich aus rotem, glänzenden Plastik liegt
direkt auf dem Asphaltboden des Festplatzes. Ein schmuckloser
roter Vorhang zwischen Metalltraversen bildet den
Artisteneingang, die Lichtanlage ist noch ausbaufähig. So wirkt
das Ambiente insgesamt kühl und schlicht. Doch immerhin steht
nun eigenes Material zur Verfügung, was Hoffnung für eine
stabilere Entwicklung gibt. Und das Programm zum Beginn der
Saison erweist sich als positive Überraschung.
Dinora
Bondar, Ayoub, Michael Ramos
Nach der
schwungvollen Ouvertüre erwarten uns zum Opening Melodien aus
dem „Greatest Showman“-Soundtrack. Das ganze Ensemble stellt
sich vor, und Clown Pepito und das komische Akrobaten-Duo Gancho
tun sich für Keulenjonglagen zusammen. Der turbulente Auftakt
geht gleich in die ersten Nummer über. Ayoub ist der einzige Artist,
der bereits im Programm war, als wir dieses zum Saisonauftakt
2023 in Stein am Rhein sahen. Sein Handicap am linken Fuß hält
ihn weiterhin nicht davon ab, Akrobat zu sein – denn er drückt
gekonnt Handstände auf dem Piedestal, in schwarzer Jeans und mit
freiem Oberkörper. „Hey, Vamos“, mit diesem Ausruf feuern der
junge Spanier Michael Ramos und seine Partnerin Melanie Martinez
das Publikum an. Bis zu drei blaue Diabolos lässt Michael Ramos
fliegen und über die Schnur zwischen den beiden Handstäben
tanzen. Zwei Doppelkegel, nunmehr LED-beleuchtet, bewegt er
effektvoll im abgedunkelten Zelt. Clown Pepito beweist im
Anschluss seine Fähigkeiten bei der Jonglage mit Bällen. Eine
Vielzahl davon kann er in der Luft halten, denn sie sind ja
dreistückweise gebündelt. Ernsthafter geht es dann wieder bei
Dinora Bondar zu. Die junge Frau mit der positiven Ausstrahlung
zeigt Akrobatik in einem sich drehenden Metallring, der in einem
Gestell auf dem Boden steht. Das Requisit ermöglicht Elemente
wie in der Luftakrobatik, kontorsionistische Übungen und den
Spagat.
Yentl Verbiest, Duo Gancho, Pepito
Jung,
sympathisch und weiblich ist ebenfalls Yentl Verbiest, die ihr
Können auf dem Einrad demonstriert. Dazu zählen beispielsweise
das Jonglieren mit drei Keulen während voller Fahrt und der
Kopfstand auf dem am Boden liegenden Rad. Sodann wechselt sie zum
Hochrad – nicht nur, um es mit dem Sattel auf ihrem Kinn zu
balancieren, sondern auch für weitere Runden durch die Manege
einschließlich Jonglagen. Pepito, der freundliche Clown aus
Südamerika, leitet mit einem Klatschspiel über zur nächsten
Nummer. Diese bietet ebenfalls gute Laune, denn das Duo Gancho
alias Jesus Domenico Cavassa und sein Manegenpartner Patrik
Perecsenyi unterhält uns mit einer Mischung aus Spaghetti-Entree
und Kaskadeurnummer. Die Geschichte vom Restaurant mit
unverschämtem Kellner ist in ihrer Grundstruktur bestens
bekannt. Hier verbinden sich in diesem Rahmen witzige Elemente und akrobatisches
Können. Für Pepito erweist es sich beim Jonglieren von Keulen
als Handicap, dass er – natürlich nur vorgeblich – furchtbar
Angst hat, von diesen am Kopf getroffen zu werden. Mit einem
Korb voller Eier möchte er dagegen den Logengästen einen kleinen
Schreck einjagen. Doch selbstverständlich landen die Eier nicht in den
vorderen Reihen, denn sie sind ja einzeln angebunden.
Duo Opa, Melanie Martinez,
Duo Gancho
Im Laufe der Vorjahres-Saison 2023 zum Circus Medrano gestoßen
und seitdem geblieben ist das Duo Opa, bestehend aus Dima
Pavlenko und Partnerin Guilena Bondar. In seinem ersten Auftritt
widmet sich das Paar einem Filmklassiker. Als Agent 007 und
„Bondgirl“ drehen sich die beiden in hoher Geschwindigkeit auf
Rollschuhen und wagen einige Tricks des Genres, bis hin zum
Genickhangwirbel. Nach dieser sinnlich-ausdrucksstarken
Darbietung wird es vor der Pause noch einmal witzig, wenn das
Duo Gancho zum „Concerto“ lädt. Dabei entsteigt Patrick zunächst
der Transporthülle eines Kontrabasses und wird von Partner Jesus
wie ein Instrument verwendet. Auf seinem Körper wird nicht nur
Luftgitarre, sondern auch Klavier und Bass gespielt. In
Klammerhaltung verbunden, einer von beiden kopfüber, wird das
Gesäß des jeweils anderen zur Trommel. Zum Auftakt des zweiten
Programmteils präsentiert Melanie Martinez ihre Antipodenspiele,
die sie im mexikanischen Stil gestaltet hat. In einem sehr
ansprechenden Kostüm in grün, weiß und gold – zu Beginn und zum
Schlusskompliment mit passendem Sombrero – lässt sie bis zu vier
Teppiche in der gleichen Farbgebung kunstvoll über ihre Hände
und Füße kreisen.
Yentl Verbiest, Duo Opa,
Duo Gancho
Auf eine
hübsche junge Artistin folgt die nächste, denn nun gehört die
Manege nochmal Yentl Verbiest. Zunächst geheimnisvoll mit rotem
Umhang über dem Kostüm und Gesichtsmaske tritt sie auf, um
beides schnell wieder abzulegen. Am Trapez überzeugt sie
zunächst mit Posen am still hängenden, dann mit Figuren am
schwingenden Trapez. Während Clown Pepito ansonsten vorwiegend
auf eignes Können setzt, darf oder muss beim „Karate“ ein
Zuschauer mitmachen. „Time of my Life“ aus dem
Dirty-Dancing-Soundtrack liefert die Begleitung zum Tanz des
Duos Opa, der mit Elementen der Partnerakrobatik und Hebefiguren
ergänzt wird – natürlich auch mit der Szene aus dem Tanzfilm, bei
dem die Dame bäuchlings auf den nach oben gestreckten Händen des
Partners liegt. In dieser Position rotiert der Herr zudem
mehrfach um die eigene Achse, sie weiterhin tragend. Aller guten
Dinge sind drei, nach diesem Motto dürfen wir uns nochmals am
Duo Gancho erfreuen. Nun amüsiert das Duo mit heiteren Passing-Jonlagen. Die Keulen sind hier als elegante Weinflaschen
gestaltet, Marke „Cascade Vineyards“. Außer den „Flaschen“
werden auch ein Handtuch und Hüte in die Wurfmuster einbezogen.
Dinora Bondar, Vanessa,
Melanie Martinez
Für ihre gemeinsame Darbietung haben Michael Ramos und Melanie
Martinez ein sehr selten zu erlebendes Genre gewählt, das wir
bisher von chinesischen Artistinnen kannten. Ähnlich wie bei
einer Kostümillusion werden hier hauchdünne, verschiedenfarbige
Masken vor den Gesichtern in Sekundenschnelle gewechselt, nur
durch einen Fächer-Schlag verborgen. Die
Kostüme entführen uns dabei nach Fernost. Pepito musiziert in
seinem letzten Auftritt auf der Trompete ("Oh when the Saints“)
und bezieht dabei das Publikum ein. Dinora Bondar, ehemalige
Sportgymnastin des portugiesischen Nationalteams, darf noch eine
weitere Facette ihres Könnens unter Beweis stellen, wenn sie die
Hula-Hoop-Reifen in einer tänzerisch geprägten Choreographie um
Arme, Körper und Beine kreisen lässt. Die Schlussnummer gehört
Vanessa mit ihren Zopfhängen, die sich durch viele Rotationen,
Flüge und Tempowechsel auszeichnen. Zum Abschluss wechselt sie
in den Zahnhang, dabei Metallkegel in den Händen
haltend, aus denen oben Flammen lodern.
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