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Höhner Rock and Roll Circus - Tour 2024
www.hoehner.com ; 126 Showfotos

Koblenz, 11. Mai 2024: Die Höhner sind es wohl, die mehrheitlich die Gäste dazu bewogen haben, ein Ticket zu buchen und an diesem Abend den „Höhner Rock and Roll Circus“ zu besuchen. T-Shirts, Badges und auch die Gespräche legen diese Vermutung nah. Zumal der circensische Part bei dieser Produktion im nunmehr dritten Jahr nicht mehr mit dem prominenten Namen Roncalli belegt ist. Nun machen eben die Höhner Circus. Das funktioniert offensichtlich bestens, zumal das Konzept dahinter bekannt ist und in ähnlicher Grundform weitergeführt wird.

Für den Part „Circus“ ist wiederum Thomas Schütte mit seiner Grandezza Entertainment verantwortlich. Das blau-gelbe Chapiteau inklusive Vorzelt und Kassenwagen kommt erneut vom Circus Maximum der Familie Zinnecker. Das artistische Ensemble wurde weitgehend aus 2023 übernommen. Die Regie liegt einmal mehr bei Thomas Bruchhäuser. Hier, wie in vielen anderen Bereichen, ist Sandor Donnert nicht unwesentlich beteiligt.


Höhner Rock and Roll Circus in Koblenz

Den Teil „Rock and Roll“ bestreiten natürlich die Höhner. Ihre Musik ist der Soundtrack der Show. Ihr enormes Repertoire ist der Garant dafür, dass jede Darbietung die passende Begleitmusik bekommt. So entfalten mache bestens bekannte Nummern eine neue Wirkung. Und das im positivsten Sinne. Zudem sind die Mitglieder der Band auch in artistischen und clownesken Parts zu erleben. Erstmals nicht mehr dabei ist Henning Krautmacher. Der langjährige charismatische Frontmann der Höhner hat sich nun endgültig verabschiedet. Nachfolger Patrick Lück ist bereits seit 2022 beim „Höhner Rock and Roll Circus“ zu erleben und ist jetzt der alleinige „Chef im Ring“. Er ist der wichtigste Gastgeber des Abends, ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu spielen. Er führt versiert durch die Show, lässt aber allen anderen Akteuren viel Raum. Letztendlich sind die Höhner eine Band gleichberechtigter Musiker und für diese Produktion nehmen sie die Artisten bei sich auf. So ergibt sich eine ungemein harmonische Circusvorstellung.


Opening, Duo Togni

Als kleine Einleitung nimmt Sandor Donnert eine kurze Kontrolle der Eintrittskarten vor. Einen Herrn erwischt er ohne Ticket. Damit er nicht das Chapiteau wieder verlassen muss, heuert er kurzfristig beim Circus an. Es handelt sich dabei um Georg Leiste, den wir während des Abends des öfteren als Clown erleben dürfen. Dann übernehmen die Höhner. Mit dem Titelsong „Vivace“ heben sie die Stimmung gleich auf ein hohes Niveau. Alle Mitwirkenden kommen zum Opening in die Manege, dann nimmt das Duo Togni den Schwung aus der Eröffnungsszene auf. Mit ihren ikarischen Spielen lassen Michael und Dario dem Publikum keine Verschnaufpause. Mithin genau der richtige Start des artistischen Programms. Die überaus sympathischen Brüder aus Italien wissen die Zuschauer direkt für sich einzunehmen und akrobatisch überzeugen sie ohnehin. Bei zig Salti und anderen Sprüngen in den verschiedensten Variationen jonglieren sie sich gegenseitig mit den Füßen durch die Luft. Fast schon poetisch wird es, wenn die Höhner die eigene Band en miniature darstellen. Dazu werden ihre Knie zu Musikern. Sonnenbrillen und rote Kugeln als Nasen skizzieren die Gesichter. Darüber werden weiße Hemden gestülpt, durch deren Ärmel die Hände Instrumente im Kleinformat bedienen.


Svyat Rasshivkin, Yulia Rasshivkina, Olivier Taquin und Patrick Lück

Zurück an ihren eigentlichen Arbeitsplätzen, intonieren die Musiker „Die schönste Stroß'“. Damit begleiten sie die traumhafte Kür an den Strapaten von Svyat Rasshivkin. Die kraftvollen Tricks in luftiger Höhe des jugendlichen Artisten werden optimal unterstützt. Somit gewinnt der Blondschopf die Herzen des Publikums im Nu. Sogar freihändig im Spagat fliegt er über dessen Köpfen. Mit beeindrucken Auf- und Abschwüngen verabschiedet sich Svyat Rasshivkin. Freddi Lubitz kann zaubern. Zumindest, wenn der Höhner-Gitarrist dabei von Georg Leiste unterstützt wird. Da wird der Clown gar zur „schwebenden Jungfrau“; bis der Schwindel kurzerhand auffliegt. Svyats Mutter Yulia Rasshivkina hat sich bekanntermaßen der Hula Hoop-Artistik verschrieben. Der Wirbelwind bringt, nicht zuletzt dank der passenden Songs, enorm viel Energie auf die Bühne, welche natürlich sofort auf die Zuschauer überspringt. Um alle möglichen Körperteile lässt sie ihre Ringe virtuos kreisen. Selbst dann, wenn sie an einer Schlaufe hängend Richtung Kuppel gezogen wird. Die Frères Taquin sind für ihr filigranes, poetisches und gleichermaßen witziges Spiel mit einem Automatenmenschen bekannt. Den Part der höchst lebendigen Puppe übernimmt hier wie gewohnt Olivier Taquin. Als Puppenspieler fungiert aber Patrick Lück. Der Sänger der Höhner füllt diese Rolle ganz ausgezeichnet. Zunächst läuft alles nach Plan, dann entwickelt die lebensgroße Figur in Frack und Zylinder ihren eigenen Willen, was allerlei Turbulenzen verursacht. Eine Zuschauerin, in die sich Olivier Taquin verguckt hat, wird Teil der Darbietung.


Trio Bokafi, Gerlings, Georg Leiste

Nach einem Saxofon-Solo von Jens Streifling gibt es Schleuderbrett-Akrobatik mit dem Trio Bokafi. Die beiden Herren katapultieren ihre Partnerin pfeilschnell in die Höhe, um sie sogleich sicher wieder aufzufangen. Dazwischen bleibt Zeit für elegante Salti und andere Sprünge. Das Ganze wird mit viel Ausdruck präsentiert. Zwei Mitglieder der Gerlings sorgen für den Nervenkitzel vor der Pause. Am Todesrad drehen sie abgefahrene Runden. Dies auch mit verbundenen Augen oder im Seilspringen. Einer stiehlt den Profis aber (fast) die Show. Jens Streifling wagt sich ebenfalls in das Rad und spielt bei seinen Runden sogar noch Saxofon. Nach der folgenden Pause wird ein besonderer Gast aus Paris erwartet, Georgette. Die wohlbeleibte Dame präsentiert sich als Seiltänzerin. Das Tau dafür müssen starke Herren aus dem Publikum spannen, während es auf ihren Schultern liegt. Zur Verblüffung aller gelingt das Kunststück und Georgette macht einige Schritte auf dem Seil. Der Spaß steht aber definitiv im Vordergrund, denn die Französin wird von Georg Leiste im voluminösen Kostüm verkörpert.


Alex und Liza, Jordan Mesa Truppe

Ein Gitarren-Solo von Edin Colic leitet über zum Spiel mit zwei Marionetten von Patrick Lück und Micki Schläger. An den Fäden hängen Puppen, die XXS-Versionen ihrer selbst darstellen. Traumhafte Partnerakrobatik eines jugendlichen Paares erleben wir mit Alex und Liza. Liza wird von Alex im wahrsten Sinne des Wortes auf Händen getragen. Und das auf die verschiedensten Weisen. Etwa, wenn Alex einen Spagat macht und Liza sich auf seinen Armen so nach hinten verbiegt, dass die Füße die Hände berühren. Ebenfalls dabei ist der Einarmer von Liza auf dem Kopf von Alex. Das Lied vom Clown Antonio ist wie gemacht für diese Show und wird hier berührend von Georg Leiste und Patrick Lück in Szene gesetzt. Der Sänger empfiehlt einem traurig auf einer Bank sitzenden Mann, sich von Clown Antonio im Circus aufheitern zu lassen. Am Ende stellt sich heraus, dass der Herr genau jener Spaßmacher ist. Derweil verwandelt sich Georg Leiste in einen Clown und gibt Kostproben seiner Kunst. Wie in den letzten beiden Jahren bildet Artistik auf dem Hochseil den Schlusspunkt des Programms. Statt den Gerlings ist 2024 ein Quartett um Jordan Mesa mit diesem Genre zu erleben. Ihr Repertoire lässt keine Wünsche offen. Vom Überspringen zweier Partner bis zur Dreier-Pyramide ist alles dabei. Für Nervenkitzel ist also gesorgt. Erst recht, wenn Höhner-Schlagzeuger Heiko Braun über das Seil läuft. Zunächst mit den Händen auf den Schultern eines Profis, dann freistehend. An der Longe geht es zurück auf den Boden. Artistische und musikalische Zugaben machen das Finale zu einem wahren Fest. Zum wirklich letzten Abschied gibt es ein Akustik-Set von den Höhnern, bei dessen letzten Sequenzen sich das Ensemble zur Band gesellt.

Ein Abend im „Höhner Rock and Roll Circus“ verwöhnt die Freunde der Band genauso wie die Liebhaber der Circuskunst. Eine professionelle Show, gekonnt inszeniert und stark besetzt. Sie nimmt einen sofort für sich gefangen und lässt einen auch beim Verlassen des Chapiteaus nicht los. Es ist ein Abend durch die Bandbreite der Gefühle, im Mittelpunkt steht aber die Lebensfreude, Vivace eben.

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Text und Fotos: Stefan Gierisch