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Circus Harlekin - Tour 2024
www.circusharlekin.ch ; 184 Showfotos

Thun, 4. Mai 2024: Die Fortführung des Circus Harlekin nach dem Tod seines Direktors Peter Pichler und dem Weggang seiner Co-Direktorin Monika Aegerter war keine Eintagsfliege. Vielmehr ist das Unternehmen bereits in der zweiten Saison unter der Leitung von Pedros Tochter Nicole, ihrer Mutter Beatrice und ihres Mannes Petro unterwegs. Eine wunderbare Nachricht in einer Situation, in der ein Reiseunternehmen nach dem anderen schließt und sich das Circusgeschäft immer stärker auf Weihnachten konzentriert. Auch 2024 ist es gelungen, ein vielfältiges und unterhaltsames Programm zusammenzustellen.

Dieses präsentiert die Familie Pichler im gewohnt familiären Rahmen, im blau-weißen Chapiteau, das von den frisch gestrichenen Circuswagen umringt wird. Eben "einfach sympathisch", so auch das Motto dieser Tour. Ein Handicap der Premierenvorstellung ist die an diesem Abend noch fehlende Arbeitsgenehmigung für den ukrainischen Keyboarder, so dass der Sound des Orchesters nicht ganz so voll tönt wie gewohnt. Doch das Ensemble improvisiert gekonnt und macht das Beste aus der Situation.


Ivette Gloria Maldonado Nevarez, Yitbarek Worke, Mister Tomito

Aus der Vorsaison prolongiert wurde der Franzose Thomy Leglise alias Clown Mister Tomito. Zu Beginn der Vorstellung möchte er es sich im Bade-Outfit am Pool mit Palmen in der Mitte der Manege gemütlich machen. Doch einige Artistinnen schicken ihn weg. Tomito muss Platz machen für das große Charivari, in dem das Ensemble Kostproben seines Könnens zeigt. Zu „This is me“ aus dem Greatest-Showman-Soundtrack erleben wir Keulenjonglage, Akrobatik am Flying Pole, Hand-auf-Hand-Artistik, Tanz mit einem Gymnastikband und kreisende Hula-Hoop-Reifen. Gleich für Stimmung sorgt der äthiopische Keulenjongleur Yitbarek Worke mit seiner freundlichen Art. Bis zu sechs Keulen lässt er in vielfältigen Wurfmustern fliegen, allerdings nicht ohne Patzer. Die goldenen Requisiten und das schwarze Kostüm mit golden schimmerndem Besatz ergeben zusammen ein schönes Bild. Seine Variante der „Haifisch“-Reprise präsentiert uns Mister Tomito. Dazu gehört die Einleitung mit einem kleinen Striptease. Auch in dieser Saison stellt Direktorin Nicole Pichler in versierter Weise drei Kamele vom schwedischen Cirkus Olympia vor, zwei ausgewachsene, ältere Exemplare und ein kleineres Jungtier. Gegenlauf, das Laufen zu dritt nebeneinander oder das Abliegen sind Bestandteile des Repertoires.


Duo Mamchych, Yordanos und Hilina Yilina, Truppe Perfect Move

Eine gemeinsame Luftakrobatik an weißen Tüchern haben sich Yuriy Mamchych und Ehefrau Edita erarbeitet. Mal hält er sie nur mit den Händen in ihrem Nacken, mal trägt sie ihn. Dann wieder Soloparts – sie im Seitspagat, er mit kraftvollem Aufwickeln –, die von gemeinsamen Flugpassagen gefolgt werden. Viel Freude machen auch die Schwestern Yordanos und Hilina Yilina mit ihren Antipodenspielen zu fröhlicher, mitreißender Musik. Eine der Schwestern lässt vier Teppich auf Händen und Füßen kreisen. Die andere tut es ihr gleich, dies auch noch rücklings auf den ausgestreckten Beinen ihrer Schwester, die dazu weitere zwei Teppiche auf den Händen rotieren lässt. In seiner nächsten Szene erprobt Mister Tomito die Geschicklichkeit eines Zuschauers beim Hut werfen, um dann selbst gentleman-like mit drei Zylindern zu jonglieren. Drei Herren in bunten, jeweils unterschiedlichen Harlekin-Kostümen und eine Dame sorgen auf dem Fasttrack für die temporeiche Pausennummer – genretypisch mit Salti und Sprüngen am laufenden Band, dies auch über Partner hinweg.


Ivette Gloria Maldonado Nevarez, Mister Tomito, Yitbarek Worke

Ivette Gloria Maldonado Nevarez durften wir bereit in der Saison 2020 im Circus Harlekin erleben – damals hatte Pedro Pichler ihre Schwungtrapez-Nummer erst mitten im Finale platziert. „Solche Ideen habe ich, wenn ich nachts nicht schlafen kann, und nicht schlafen kann ich viel“, hatte er uns damals in seiner verschmitzten Art wissen lassen. Heuer arbeitet die Mexikanerin direkt nach der Pause und begeistert wiederum mit raumgreifenden Flügen, rasanten Abfallern und Sprüngen sowie Festtagslaune im Gesicht, diesmal zum temporeichen Song „I need a hero“. Volkstümlich wird es dagegen, wenn Mister Tomito sich dem "Schwingen“ widmet, einen dem Freistilringen verwandten, heimlichen Nationalsport der Schweizer. Zunächst machen seine Mitspieler aus dem Publikum und er sich fit mit Seilspringen (mit imaginärem Seil) und Liegestützen, dann erleben wir ein Duell in Zeitlupe. Nochmals jongliert Yitbarek Worke mit drei seiner goldenen Keulen, nunmehr auf einem Turm aus drei liegenden und stehenden Rollen. Rola Rola ist also seine zweite Disziplin. Dabei überquert er balancierend auch eine Leiter. Nur relativ kurz gehalten wird sein Schlusstrick, die Balance auf sieben stehenden und liegenden Rollen.


Mister Tomito, Nicole Pichler, Golden Trio

Mister Tomito mimt nun den Bauern, der auf einem Schemel sitzend eingenickt ist. Flugs schleicht ein Partner im Kostüm einer liebenswerten, gescheckten Kuh heran und versucht, ihn zu bestehlen. Die Kinder im Publikum sollen den Clown lautstark warnen – in der bestens besuchten Abendpremiere leidet dieses Vorhaben unter dem recht hohen Altersschnitt des Publikums. Man muss aber kein Prophet sein, um einen Großerfolg in den Nachmittagsvorstellungen mit vielen Kids vorherzusehen. Das Ende ist versöhnlich, wenn Landwirt und Milchvieh gemeinsam ein Tänzchen wagen. 14 Saisons lang hatte Susanne Mani für immer wieder neue Haustierdressuren in den Harlekin-Programmen gesorgt. Nach ihrem Weggang stellt nun Nicole Pichler selbst die zweite Tiernummer im Programm vor. Vier Miniponys - Neuzugänge beim Circus Harlekin - werden von ihr auf augenzwinkernde Weise zu rasanten Lauffiguren, Hürdenspringen und Knicks angeleitet. Einfach außerordentlich sympathisch wirken die drei „Golden Sisters“, namentlich die Schwestern Yordanos, Hilina und Nuhamin aus Äthiopien. Mit strahlenden Gesichtern zelebrieren sie die anspruchsvollen Figuren ihrer Partner-Equilibristik. Dabei beweisen sie Kraft und Können, Balance und Beweglichkeit.


Edita Mamchych, Truppe Perfect Move, Nicole Pichler

Zu mitreißender Musik präsentiert Edita Mamchych ihre Hula-Hoop-Nummer. In dieser lässt sie die Reifen nicht nur um Arme, Rumpf und Beine kreisen, sondern jongliert auch mit diesen – dies in effektvoller Weise auch mit LED-beleuchteten Reifen im Dunkeln. Unser ebenso treuer wie amüsanter Begleiter durchs Programm bleibt Mister Tomito. In seiner letzten größeren Szene knipst er ein romantisches Foto gemeinsam mit einer Dame aus dem Publikum. Deren Partner wird dafür kurzerhand weggeschickt. Die drei Herren der Truppe Perfect Move – ohne die Dame – begeistern zum Abschluss der Show nochmal mit hohen Sprüngen, Pirouetten und Salti sowie Platzwechseln von einer zur anderen Seite auf dem Schleuderbrett. Mit einer letzten Reprise auf der Tribüne leitet Mister Tomito ins Finale über, in dem Nicole Pichler mit persönlichen Worten das Publikum verabschiedet. Den Tanz des gesamten Ensembles hat wieder die Cousine der jungen Circuschefin, die Eiskunstläuferin Lara Mierisch, einstudiert.

Auf eine relativ kurze und knackige erste Hälfte des Programms folgt eine ausführlichere zweite Halbzeit. Beide Teile fügen sich zu einem tollen und abwechslungsreichen Programm zusammen, das vom Premierenpublikum mit Standing Ovations gefeiert wird. So steht einer erfolgreichen zweiten Tournee der neuen Direktion nichts im Wege. Und das ist gut so, denn wir möchten uns noch viele Jahre an diesem besonderen Circus erfreuen, der stets hochstehende Programme in oftmals kleine Orte bringt.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll