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Circus Gebrüder Barelli - Tour 2024
www.gebrueder-barelli.de ; 160 Showfotos

Frankfurt, 18. Mai 2024: In schweres Fahrwasser war der einst so stolze Circus Barelli der Familie Spindler nach dem Jahr 2010 geraten. Es wurde in den folgenden Saisons unter wechselnden Namen gereist, der legendäre „Barelli-Palast“ im Jahr 2013 an den Circus Voyage abgegeben. Fortan spielte man in kleineren Chapiteaus. Ein schwerer familiärer Schicksalsschlag kam hinzu, als am 8. November 2014 Seniorchefin Rolina Spindler-Barelli nach langer und schwerer Krankheit verstarb. Doch Aufgeben ist die Sache der Spindlers offensichtlich nicht. Jahrelang war zu hören, dass man noch einmal groß herauskommen wolle. Die ersten Anzeichen für ein Comeback, für das Anknüpfen an alte Zeiten, ergaben sich 2019, als wieder der bekannte Name eingesetzt wurde.

Seitdem reist das Unternehmen als „Circus Gebrüder Barelli“, dies unter der Direktion von Timmy Spindler-Barelli. Auch seine Partnerin Salima Folco, seine Geschwister Franz (mit Sohn Francesco) und Ramona (mit Tochter Ashley) sowie sein Vater John-Henry, besser bekannt als Harry Barelli oder schlicht „Eschi“, sind weiterhin mit auf Tour.


Herrliches Ambiente im Au0enbereich des Circus Gebrüder Barelli

Die „Grand Retour“ fand nun ab dem 4. Mai auf dem Festplatz am Ratsweg in Frankfurt am Main statt. Nicht weniger als der „schönste Circus des Universums“ wurde in der Werbung angekündigt. Und tatsächlich kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. In jahrelanger Arbeit hat Timmy Barelli nostalgische Circuswagen restauriert, darunter ein Holzschindelwagen mit Veranda als Büro, eine festlich beleuchtete Kasse mit bunten Glasornamenten in den vier Schalterfenstern, ein Werbefahrzeug, eine Betriebsfeuerwehr mit mehreren Fahrzeugen und ein Hanomag-Traktor. Auch das Vorzelt ist teils als Museum ausgestattet, bietet unter anderem eine Ecke mit großem Foto zur Erinnerung an Rolina Spindler-Barelli sowie eine reichhaltige Restauration an mehreren Ständen. Nur die gemieteten Toiletten passen nicht ins nostalgische Flair, das offenkundig auch von Roncalli inspiriert ist.


Finale vor dem bekannten Artisteneingang

Ein eigenes Chapiteau ist angekündigt, in Frankfurt sowie den anschließenden Gastspielorten Darmstadt und Koblenz wurde jedoch im schmucken, rot-weißen Zelt des Nürnberger Weihnachtscircus von Markus Kaiser (Circus Barnum) gespielt. Inzwischen kommt ein eigenes Vorzelt mit „Barelli“-Schriftzügen auf der Außenleinwand zum Einsatz. Man darf gespannt sein, wie es bei den angekündigten Gastspielen in Regensburg (ab 18. September) und Bayreuth (ab 12. Oktober) nach der aktuellen Sommerpause weitergehen wird. Im Inneren des Chapiteaus erwarten uns Polsterstühle in den Logen, eine Tribüne mit roten Schalensitzen und der Artisteneingang der schönsten Barelli-Zeiten. „Stars“ steht über der Gardine geschrieben anstatt „Barelli“, eine Reminiszenz an die Phase ab 2012, in der aus dem Circus die Show „Stars der Pferde“ geworden war. Das moderne Licht ist vorwiegend an einem großen Kranz unter dem Zeltdach montiert. Das Ambiente im Hauptzelt ist schön, doch die Atmosphäre im Barelli-Palast – mit festlichem Baldachin überm Artisteneingang und einem zusätzlichen, raumhohen Vorhang davor, mit Kronleuchter in der Kuppel, sich hebendem und senkendem Bühnenpodium und Lichterbögen hinten an der Rundleinwand – bleibt unvergesslich und wird bis jetzt noch nicht wieder erreicht.


Acht-Mann-Orchester

Auch in der Show hat sich manches geändert. Beim „alten“ Barelli kam es im Grunde auf die engagierten Artisten gar nicht an, auch wenn wir hier Hochklassiges wie beispielsweise die Truppe Tashkenbaev auf dem Hochseil oder die Eshimbekovs mit Hochseil und Dshigitenreiterei erleben durften. Vielmehr bildeten die hervorragenden Nummern der Familie Spindler selbst das Grundgerüst des Programms. Wir erinnern uns an Rolina Spindler-Barelli mit dem Achterzug braun-weißer Araberpferde, an Harry Barelli mit bis zu zwölf Friesen, an Franz Barelli mit Giraffe, Zwergflusspferd und Dressurkombinationen mit Pferden und Kamelen – und anderes mehr. Diese Erinnerungen bleiben für immer. In Frankfurt sollten zuerst gar keine Tiere gezeigt werden, wie Ramona Barelli der Presse gesagt hatte, dann gab es immerhin einen Viererzug Kamele, ein Groß und Klein sowie ein Solopferd. In Darmstadt musste aufgrund der Vorgaben des Unternehmens I-Vents, das den Messplatz bewirtschaftet, auf Tiere ganz verzichtet werden. In Koblenz wurden Bildern zufolge nur die Kamele vorgeführt und dafür die bekannte, stimmungsvolle Tuchakrobatik von Salima Folco in die Show genommen. Insgesamt liegt der Fokus nun auf der Artistik, der Livemusik des großen, vorzüglichen Acht-Personen-Orchesters und der Clownerie von Timmy Barelli – dies mit seinen bewährten Klassikern, die im Barelli-Palast große Erfolge gefeiert hatten. Doch der Reihe nach. Zu Beginn der Vorstellung erzählt uns eine Bandansage aus dem Off die Geschichte von Timmy Barelli. 1979 in Rosenheim geboren, sei ihm das Circusleben in die Wiege gelegt worden. Auf dem Hochseil und dem Todesrad, mit Luftakrobatik und als Clown habe er gearbeitet. Und davon geträumt, einen Circus aus seinen eigenen Händen zu schaffen. Drei Jahre harte Arbeit sowie grenzenlose Hingabe habe er investiert, um den neuen Circus Gebrüder Barelli zu kreieren. Sein Dank gelte Familie, Freunden und Eltern. Danach begrüßen Timmy und Franz Barelli das Publikum und empfangen ihren Vater John-Henry, der wie eh und je im schwarzen Frack auftritt. Die Herren Barelli fallen sich in die Arme. Insgesamt ist die Selbstinszenierung der Familie gegen früheren Zeiten jedoch stark zurückgenommen, die zweifelsfrei vorhandene Leidenschaft für den Circus bisweilen hinter rauem Charme verborgen.


Gerlings, Duo Mirak, Anastacia Jidkov

Die erste artistische Nummer führt uns in die Luft. Vier Herren aus dem Hause Gerlings zeigen ein breites Repertoire auf dem Hochseil, darunter den Lauf über den liegenden Partner, den Sprung über zwei auf dem Seil kauernde Kollegen, Zwei-Personen-Hoch, Seilspringen, Kopfstand, Bockspringen und schließlich die Dreierpyramide mit freiem Stand auf einem Stuhl. In der Manege präsentiert das Duo Mirak, bestehend aus Mann und Frau, seine Partnerakrobatik, die auch verschiedene Wurffiguren enthält. Hier könnte die Wirkung durch die Arbeit auf einem Podest noch verstärkt werden, da oftmals die Logenbrüstung den Blick beeinträchtigt. Freie Sicht genießen wir dann wieder, wenn die charmante Anastacia Jidkov auf dem Washington-Trapez arbeitet. Im Kopfstand legt sie die schwarze Anzughose und das Sakko ab, so dass das rote Circuskostüm darunter zu sehen ist. Ebenfalls auf dem Kopf jongliert sie zudem vier Ringe mit Armen und Beine und balanciert wagemutig auf dem schwingenden Trapez.


Ramona Barelli, Joaquim Zuniga Sepuveda

Eine der klassischsten Melodien zu Exotendressuren ist wohl das „Caravan Theme“ von Mike Batt. So entsteht ganz viel traditionelle Circusatmosphäre, wenn Ramona Barelli vier Kamele mit prunkvollen Decken zu verschiedenen Lauffiguren anleitet. „Haben Sie denn eine Eintrittskarte?“. Dieser muntere Dialog zwischen Vater John-Henry und Sohn Timmy Barelli gehört seit vielen Jahren fest ins Programm und sorgt auch in Frankfurt für Heiterkeit. Joaquim Zuniga Sepuveda ist ein junges, vielversprechendes Talent auf dem Drahtseil. Im spanischen Stil, mit rot-schwarzem Torrero-Kostüm und Hut, überzeugt er mit seinem sympathisch-fröhlichen Auftreten und Tricks wie Pirouette, Reifensprung, Seilspringen, Barrieresprung und Rückwärtssalto, der an diesem Tag erst im dritten Anlauf gelingt. Dem Applaus tut dies keinem Abbruch. Zum Abschluss springt er durch einen mit Messern gespickten Reifen.


Franz, Ashley und Francesco Barelli

Die Lacher auf ihrer Seite haben Timmy und Franz Barelli, wenn sie nur scheinbar ein Tuch von der einen Seite der Manege auf die andere zaubern. Beider Nichte Ashley Barelli verzückte 2010 als Fünfjährige das Publikum mit ihrem Pony. Inzwischen ist aus ihr eine junge Frau geworden, die zu Latin-Rhythmen die Hula Hoops kreisen lässt und selbstbewusst ihre Reize präsentiert. Effektvoll auf einem von unten beleuchteten Podest arbeitend, lässt sie bis zu fünf Reifen um Arme und Beine rotieren und bewegt abschließend ein ganzes Bündel Reifen. Timmy Barellis bekannte Schirmjonglage überbrückt den Umbau, und schon staunen wir über den erst 13-jährigen Francesco Barelli und seine Bouncing-Jonglagen. Der Junge agiert in seinem stilvoll-festlichen Anzug mit Weste schon wie ein Großer, lässt fünf Bälle gegen den Boden springen und fängt sie wieder, während er die Treppe des Requisits hinunter geht, sich oben hinkniet oder Pirouetten dreht. Auch die Ausstrahlung stimmt. Zum Abschluss gibt es Bouncings mit sieben Bällen. Bravo! Eine veritable Pausennummer, die zu Recht zum kommenden European Youth Circus Wiesbaden eingeladen wurde. Auch wenn die Tiernummern stark reduziert wurden, ein größerer Tierbestand ist noch vorhanden, und so folgt vor der Unterbrechung die schon legendäre Tierschau-Ansage des Seniorchefs. Sie ist oft kopiert, doch nie erreicht.


Flying Zuniga, John-Henry und Timmy Barelli

In der Pause wird das Netz fürs Flugtrapez aufgebaut. Zur Darbietung der Flying Zuniga spielt das Orchester nicht die üblichen südamerikanischen Rhythmen, sondern unter anderem die Titelmusik von „Salto Mortale“ und Walzer. Zwei Fliegerinnen und zwei Flieger präsentieren hierzu jedoch das, was wir von einer guten Darbietung des Genres erwarten, darunter den Doppelsalto gestreckt, den Dreifachen und die Passage. Alles wird sicher ausgeführt, der Jubel ist entsprechend lautstark. Klassisch geht es weiter beim Groß und Klein, das Franz Barelli vorstellt. Offenbar eines der Lieblingslieder von John-Henry Barelli sind die „Tulpen aus Amsterdam“, denn dieser Schlager wurde früher schon zu seinen Friesen-Freiheiten gespielt. Nun begleitet er seine Vorführung des Solo-Friesen „Zorro“, der mit Glitzerstaub auf dem Rücken eine wunderschöne Erscheinung ist. Unter anderem streckt das Tier den Kopf zwischen den auf einem Podest platzierten Vorderbeinen durch. Wie im früheren Circus Barelli hat Clown Timmy seinen großen Auftritt mit seiner Variante der „Opéra“. Zwei Herren aus dem Publikum benötigt er für das Eifersuchtsdrama, einer davon erweist sich als herrlich übermotiviert. Hinzu kommt eine reichlich verlegen wirkende Dame. So ist in dieser Konstellation viel Gelächter garantiert.


Samuele Manfredini, Guilherme Sepuveda

Nochmal ein artistisches Glanzlicht gibt es mit den akrobatischen Handständen von Samuele Manfredini. Weiche Bewegungen einerseits, dynamisches Moves andererseits kennzeichnen die Darbietung auf einem runden Tisch, präsentiert zu „Purple Rain“ in schwarzen Hosen mit freiem Oberkörper. Spagat und Rückwärtsalto, Rückwärtssprung aus dem Stehen in den Handstand und Rotationen in der Handstandwaage auf der rechten Hand sind Teile des Repertoires. Neben seiner kraftvollen Arbeit als Fänger am Flugtrapez hat Guilherme Sepuveda auch eine Kunstschützennummer mit der Armbrust einstudiert, die ganz andere Fähigkeiten erfordert. Zunächst zerschießt er Luftballons, die seine Frau Evelin Zuniga hält – mal mit dem Mund, mal mit der Hand. Dies gelingt ihm auch „blind“ und über den Rücken, während die Partnerin ihn mit der Stimme dirigiert. Spektakulär auch der Schlusstrick, bei dem er mehrere Armbrüste über mehrere Stationen auslöst und sich letztlich selbst einen Apfel vom Kopf schießt.

Einheitlich in roten Anzügen und Kleidern präsentiert sich das Ensemble im Finale. Schade und auch ärgerlich ist der Umstand, dass große Teile des Publikums während dieser Schlussszenen schon aus dem Zelt strömen, obwohl doch ein starkes Programm mit toller musikalischer Begleitung im schönen Rahmen präsentiert worden ist. Da schließen wir uns lieber dem Teil der Gäste an, die Standing Ovations spenden. Möge das Wagnis gelingen, dem Circus (Gebrüder) Barelli wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Mit dem umfangreichen Material und Programm in unruhigen Zeiten sicher kein leichtes Unterfangen. Umso erfreulicher, wenn der Weg dauerhaft zum Erfolg führen wird.

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Text: Markus Moll; Fotos: Tobias Moll