Seitdem reist das Unternehmen
als „Circus Gebrüder Barelli“, dies unter der Direktion von
Timmy Spindler-Barelli. Auch seine Partnerin Salima Folco, seine
Geschwister Franz (mit Sohn Francesco) und Ramona (mit Tochter
Ashley) sowie sein Vater John-Henry, besser bekannt als
Harry Barelli oder schlicht „Eschi“, sind weiterhin mit auf
Tour.
Herrliches Ambiente im
Au0enbereich des Circus Gebrüder Barelli
Die „Grand Retour“ fand nun ab
dem 4. Mai auf dem Festplatz am Ratsweg in Frankfurt am Main
statt. Nicht weniger als der „schönste Circus des Universums“
wurde in der Werbung angekündigt. Und tatsächlich kommt man
aus dem Staunen nicht mehr heraus. In jahrelanger
Arbeit hat Timmy Barelli nostalgische Circuswagen restauriert,
darunter ein Holzschindelwagen mit Veranda als Büro, eine
festlich beleuchtete Kasse mit bunten Glasornamenten in den vier
Schalterfenstern, ein Werbefahrzeug, eine Betriebsfeuerwehr mit
mehreren Fahrzeugen und ein Hanomag-Traktor. Auch das Vorzelt
ist teils als Museum ausgestattet, bietet unter anderem eine
Ecke mit großem Foto zur Erinnerung an Rolina Spindler-Barelli
sowie eine reichhaltige Restauration an mehreren Ständen. Nur
die gemieteten Toiletten passen nicht ins nostalgische
Flair, das offenkundig auch von Roncalli inspiriert ist.
Finale vor dem
bekannten Artisteneingang
Ein eigenes Chapiteau ist
angekündigt, in Frankfurt sowie den anschließenden
Gastspielorten Darmstadt und Koblenz wurde jedoch im schmucken,
rot-weißen Zelt des Nürnberger Weihnachtscircus von Markus
Kaiser (Circus Barnum) gespielt. Inzwischen kommt ein eigenes
Vorzelt mit „Barelli“-Schriftzügen auf der Außenleinwand zum
Einsatz. Man darf gespannt sein, wie es bei den angekündigten
Gastspielen in Regensburg (ab 18. September) und Bayreuth (ab
12. Oktober) nach der aktuellen Sommerpause weitergehen wird. Im
Inneren des Chapiteaus erwarten uns Polsterstühle in den Logen,
eine Tribüne mit roten Schalensitzen und der Artisteneingang der
schönsten Barelli-Zeiten. „Stars“ steht über der Gardine
geschrieben anstatt „Barelli“, eine Reminiszenz an die Phase ab
2012, in der aus dem Circus die Show „Stars der Pferde“ geworden
war. Das moderne Licht ist vorwiegend an einem großen Kranz
unter dem Zeltdach montiert. Das Ambiente im Hauptzelt ist schön, doch die Atmosphäre im Barelli-Palast – mit festlichem Baldachin überm Artisteneingang
und einem zusätzlichen, raumhohen Vorhang davor, mit
Kronleuchter in der Kuppel, sich hebendem und senkendem
Bühnenpodium und Lichterbögen hinten an der Rundleinwand –
bleibt unvergesslich und wird bis jetzt noch nicht wieder
erreicht.
Acht-Mann-Orchester
Auch in der Show hat sich manches geändert. Beim „alten“ Barelli
kam es im Grunde auf die engagierten Artisten gar nicht an, auch
wenn wir hier Hochklassiges wie beispielsweise die Truppe
Tashkenbaev auf dem Hochseil oder die Eshimbekovs mit Hochseil
und Dshigitenreiterei erleben durften. Vielmehr bildeten die
hervorragenden Nummern der Familie Spindler selbst das
Grundgerüst des Programms. Wir erinnern uns an Rolina
Spindler-Barelli mit dem Achterzug braun-weißer Araberpferde, an
Harry Barelli mit bis zu zwölf Friesen, an Franz Barelli mit
Giraffe, Zwergflusspferd und Dressurkombinationen mit Pferden
und Kamelen – und anderes mehr. Diese Erinnerungen bleiben für
immer. In Frankfurt sollten zuerst gar keine Tiere
gezeigt werden, wie Ramona Barelli der Presse gesagt hatte, dann
gab es immerhin einen Viererzug Kamele, ein Groß und Klein
sowie ein Solopferd. In Darmstadt musste aufgrund der Vorgaben
des Unternehmens I-Vents, das den Messplatz bewirtschaftet, auf
Tiere ganz verzichtet werden. In Koblenz wurden Bildern zufolge
nur die Kamele vorgeführt und dafür die bekannte, stimmungsvolle
Tuchakrobatik von Salima Folco in die Show genommen. Insgesamt
liegt der Fokus nun auf der Artistik, der Livemusik des großen,
vorzüglichen
Acht-Personen-Orchesters und der Clownerie von Timmy Barelli –
dies mit seinen bewährten Klassikern, die im Barelli-Palast
große Erfolge gefeiert hatten.
Doch der Reihe nach. Zu Beginn der Vorstellung erzählt uns eine
Bandansage aus dem Off die Geschichte von Timmy Barelli. 1979 in
Rosenheim geboren, sei ihm das Circusleben in die Wiege gelegt
worden. Auf dem Hochseil und dem Todesrad, mit Luftakrobatik und
als Clown habe er gearbeitet. Und davon geträumt, einen Circus
aus seinen eigenen Händen zu schaffen. Drei Jahre harte Arbeit
sowie grenzenlose Hingabe habe er investiert, um den
neuen Circus Gebrüder Barelli zu kreieren. Sein Dank gelte
Familie, Freunden und Eltern. Danach begrüßen Timmy und Franz Barelli das
Publikum und empfangen ihren Vater John-Henry, der
wie eh und je im schwarzen Frack auftritt. Die Herren Barelli
fallen sich in die Arme. Insgesamt ist die Selbstinszenierung
der Familie gegen früheren Zeiten jedoch stark zurückgenommen,
die zweifelsfrei vorhandene Leidenschaft für den Circus
bisweilen hinter rauem Charme verborgen.
Gerlings, Duo
Mirak,
Anastacia Jidkov
Die erste artistische Nummer führt uns
in die Luft. Vier Herren aus dem Hause Gerlings zeigen ein
breites Repertoire auf dem Hochseil, darunter den Lauf über den
liegenden Partner, den Sprung über zwei auf dem Seil kauernde
Kollegen, Zwei-Personen-Hoch, Seilspringen, Kopfstand,
Bockspringen und schließlich die Dreierpyramide mit freiem Stand auf einem Stuhl.
In der Manege präsentiert das Duo Mirak, bestehend aus Mann und
Frau, seine Partnerakrobatik, die auch verschiedene Wurffiguren
enthält. Hier könnte die Wirkung durch die Arbeit auf einem
Podest noch verstärkt werden, da oftmals die Logenbrüstung den
Blick beeinträchtigt. Freie Sicht genießen wir dann wieder, wenn
die charmante Anastacia Jidkov auf dem Washington-Trapez
arbeitet. Im Kopfstand legt sie die schwarze Anzughose und das
Sakko ab, so dass das rote Circuskostüm darunter zu sehen ist.
Ebenfalls auf dem Kopf jongliert sie zudem vier Ringe mit Armen und Beine und
balanciert wagemutig auf dem schwingenden Trapez.
Ramona Barelli,
Joaquim Zuniga Sepuveda
Eine der
klassischsten Melodien zu Exotendressuren ist wohl das „Caravan Theme“ von Mike Batt. So entsteht ganz viel traditionelle
Circusatmosphäre, wenn Ramona Barelli vier Kamele mit
prunkvollen Decken zu verschiedenen Lauffiguren anleitet. „Haben
Sie denn eine Eintrittskarte?“. Dieser muntere Dialog zwischen
Vater John-Henry und Sohn Timmy Barelli gehört seit vielen
Jahren fest ins Programm und sorgt auch in Frankfurt für
Heiterkeit. Joaquim Zuniga Sepuveda ist ein junges,
vielversprechendes Talent auf dem Drahtseil. Im spanischen Stil,
mit rot-schwarzem Torrero-Kostüm und Hut, überzeugt er mit
seinem sympathisch-fröhlichen Auftreten und Tricks wie
Pirouette, Reifensprung, Seilspringen, Barrieresprung und
Rückwärtssalto, der an diesem Tag erst im dritten Anlauf
gelingt. Dem Applaus tut dies keinem Abbruch. Zum Abschluss
springt er durch einen mit Messern gespickten Reifen.
Franz, Ashley und
Francesco Barelli
Die Lacher auf ihrer Seite
haben Timmy und Franz Barelli, wenn sie nur
scheinbar ein Tuch von der einen Seite der Manege auf die andere
zaubern. Beider Nichte Ashley Barelli verzückte 2010 als
Fünfjährige das Publikum mit ihrem Pony. Inzwischen ist aus ihr
eine junge Frau geworden, die zu Latin-Rhythmen die Hula Hoops
kreisen lässt und selbstbewusst ihre Reize präsentiert.
Effektvoll auf einem von unten beleuchteten Podest arbeitend,
lässt sie bis zu fünf Reifen um Arme und Beine rotieren und
bewegt abschließend ein ganzes Bündel Reifen. Timmy Barellis
bekannte Schirmjonglage überbrückt den Umbau, und schon staunen
wir über den erst 13-jährigen Francesco Barelli und seine
Bouncing-Jonglagen. Der Junge agiert in seinem
stilvoll-festlichen Anzug mit Weste schon wie ein Großer, lässt
fünf Bälle gegen den Boden springen und fängt sie wieder,
während er die Treppe des Requisits hinunter geht,
sich oben hinkniet oder Pirouetten dreht. Auch die Ausstrahlung
stimmt. Zum Abschluss gibt es Bouncings mit sieben Bällen.
Bravo! Eine veritable Pausennummer, die zu Recht zum kommenden
European Youth Circus Wiesbaden eingeladen wurde. Auch wenn die
Tiernummern stark reduziert wurden, ein größerer Tierbestand ist
noch vorhanden, und so folgt vor der Unterbrechung die schon
legendäre Tierschau-Ansage des Seniorchefs. Sie ist oft kopiert,
doch nie erreicht.
Flying Zuniga,
John-Henry und Timmy Barelli
In der Pause wird das Netz fürs Flugtrapez aufgebaut. Zur
Darbietung der Flying Zuniga spielt das Orchester nicht die
üblichen südamerikanischen Rhythmen, sondern unter anderem die
Titelmusik von „Salto Mortale“ und Walzer. Zwei Fliegerinnen und
zwei Flieger präsentieren hierzu jedoch das, was wir von einer
guten Darbietung des Genres erwarten, darunter den Doppelsalto
gestreckt, den Dreifachen und die Passage. Alles wird sicher
ausgeführt, der Jubel ist entsprechend lautstark. Klassisch geht
es weiter beim Groß und Klein, das Franz Barelli vorstellt.
Offenbar eines der Lieblingslieder von John-Henry Barelli sind
die „Tulpen aus Amsterdam“, denn dieser Schlager wurde früher
schon zu seinen Friesen-Freiheiten gespielt. Nun begleitet er
seine Vorführung des Solo-Friesen „Zorro“, der mit Glitzerstaub
auf dem Rücken eine wunderschöne Erscheinung ist. Unter anderem
streckt das Tier den Kopf zwischen den auf einem Podest
platzierten Vorderbeinen durch. Wie im früheren Circus Barelli
hat Clown Timmy seinen großen Auftritt mit seiner Variante der
„Opéra“. Zwei Herren aus dem Publikum benötigt er für das
Eifersuchtsdrama, einer davon erweist sich als herrlich
übermotiviert. Hinzu kommt eine reichlich verlegen wirkende
Dame. So ist in dieser Konstellation viel Gelächter garantiert.
Samuele Manfredini,
Guilherme Sepuveda
Nochmal ein artistisches Glanzlicht gibt es mit den
akrobatischen Handständen von Samuele Manfredini. Weiche
Bewegungen einerseits, dynamisches Moves andererseits
kennzeichnen die Darbietung auf einem runden Tisch, präsentiert
zu „Purple Rain“ in schwarzen Hosen mit freiem Oberkörper.
Spagat und Rückwärtsalto, Rückwärtssprung aus dem Stehen in den
Handstand und Rotationen in der Handstandwaage auf der rechten
Hand sind Teile des Repertoires. Neben seiner kraftvollen Arbeit
als Fänger am Flugtrapez hat Guilherme Sepuveda auch eine
Kunstschützennummer mit der Armbrust einstudiert, die ganz
andere Fähigkeiten erfordert. Zunächst zerschießt er
Luftballons, die seine Frau Evelin Zuniga hält – mal mit dem
Mund, mal mit der Hand. Dies gelingt ihm auch „blind“ und über den Rücken,
während die Partnerin ihn mit der Stimme dirigiert. Spektakulär
auch der Schlusstrick, bei dem er mehrere Armbrüste über mehrere
Stationen auslöst und sich letztlich selbst einen Apfel vom Kopf
schießt.
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